Analyse: Oft ungenügend
■ GesamtschülerInnen bekommen selbst in Altruismus schlechte Noten
Mit dem Zeugnis Ende Januar steht für die Viertkläßler in NRW auch die Empfehlung für die weiterführende Schule ins Haus. Und darüber gibt es jetzt Streit. Amtlich ist alles unzweideutig in dem Erlaß des Kultusministeriums vom 14. 11. 1996 geregelt. Danach muß den Eltern durch die Grundschule eine „begründete Empfehlung“ für die Schulform gegeben werden, die im Sinne des Kindes am „besten geeignet erscheint“. Neben der Haupt-, der Realschule oder dem Gymnasium sei dabei „auch die Gesamtschule zu benennen“, heißt es in dem Erlaß.
Eine Formulierung, die die zahlreichen Gesamtschulkritiker in NRW nicht ruhen läßt. Gestern meldeten sich Elternvertreter und Lehrer gemeinsam in Düsseldorf zu Wort. Schlicht „unverantwortlich“ sei die Anordnung. Sie diene „nicht dem Wohl der Kinder“, sondern habe „ein ideologisches Ziel“.
Davon ist inzwischen auch Ulrich Sprenger, Studiendirektor a.D. und langjähriger Gesamtschullehrer, überzeugt. Sprenger glaubt, daß die von linken Bildungsreformern propagierte „Chancengleichheit durch Gesamtschulen“ sich als „ein nicht zu haltendes Versprechen“ herausgestellt habe. Durch die jüngsten Forschungen des Berliner Max-Planck- Instituts sieht er sich bestätigt. Die unter dem Titel „Bildungsverläufe und psychosoziale Entwicklung im Jugendalter“ (BIJU) veröffentlichte Studie stellt den Gesamtschulen in der Tat ein schlechtes Zeugnis aus.
Obwohl die Schülerschaft von Real- und Gesamtschulen der Untersuchung zufolge beim Übergang von der Grundschule „sehr ähnlich“ sei, falle die Leistung der GesamtschülerInnen im Laufe der Jahre deutlich ab. Nach einer Auswertung kommt Sprenger zu dem Ergebnis, daß der durchschnittliche Leistungsabstand zwischen RealschülerInnen und GesamtschülerInnen „am Ende der Klasse 10 in Mathematik und Englisch mehr als ein Schuljahr beträgt“. Auch um das Sozialverhalten scheint es an Gesamtschulen am schlechtesten bestellt zu sein. Hier wurden die „ungünstigsten Verläufe“ gemessen. Die Gesamtschulschülerschaft verhalte sich weniger altruistisch und lege mehr Egoismus an den Tag, als andere SchülerInnen.
Gemeinsam mit Sprenger trat gestern Ulrich Brambach, der stellvertretende Bundesvorsitzende des Verbandes Deutscher Realschullehrer, in Düsseldorf vor die Presse, um für ein „differenziertes Schulsystem“, das „offenbar verschiedene Begabungen mit unterschiedlichem Leistungsvermögen besser fördern“ könne, zu werben. Der Versuch, über Gesamtschulen die Chancengleichheit zu fördern, sei gescheitert. Künftig gehe es darum, dem Fachunterricht in konstanten Bezugsgruppen – wie in Realschulen – wieder mehr Gewicht zu verschaffen. Walter Jakobs
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