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AnalyseSachzwang ist schuld

■ Falsches Spiel beim Flugbenzin

Wie schön ist es doch, wenn man immer auf die anderen zeigen kann. Etwa bei der Flugbenzin-Steuer. Wir würden ja gerne, heißt es aus dem Hause Merkel. Allein es fehlt eine europäische Einigung. Und im Alleingang, Sie wissen ja... So verschleiert die Regierung, daß sie nur halbherzig für eine Verringerung des Kerosinverbrauchs eintritt.

Allein Österreich will zur Zeit konsequent Kerosinsteuern in der EU einführen. Alle anderen verweisen noch auf eine Ebene höher: Das weltweit gültige Chicagoer Abkommen zum Luftverkehr sieht nämlich vor, daß eine Kerosinsteuer für Fluglinien nicht erlaubt ist. Da müsse man erst nachverhandeln... heißt es im Umweltministerium. Nun liegt ihm seit einem Monat ein neue Studie vor, die einen Ausweg aus dem Dilemma zeigt. Würde man statt der Steuer aufs gekaufte Kerosin eine Abgabe auf den Abgasausstoß im europäischen Luftraum erheben, würde das nicht gegen das Chicagoer Abkommen verstoßen. Eine Abgabe von 36 Pfennig pro verbrauchten Liter Kerosin hätte bereits einen gewaltigen Effekt: Sie würde laut Studie die Abgase bis 2025 um ein Drittel senken. Ohne Urlauber arg zu belasten: Ein 2.000-Kilometer-Ticket würde nur 20 Mark teurer. Und Europas Fluglinien hätten keinen besonderen Wettbewerbsnachteil.

Doch Merkel nutzt diese Studie nicht für eine Offensive. Auf Nachfrage erklärt ihr Sprecher bloß: „Wir sind dabei, das auszuwerten“ und „konkrete Schritte stehen nicht an“. Man hat sich kuschelig eingerichtet in den Sachzwängen. Da ist es typisch, daß die bahnbrechende Studie vor zwei Jahren von einem europäischen Umweltdachverband angeleiert werden mußte. Zwar hatte das Bonner Kabinett schon vor sieben Jahren beschlossen, auch Kerosin besteuern zu wollen, doch ohne Ergebnis. Die neue Studie liefert auch die Argumente, um die noch zögernden Staaten in der EU zu überzeugen: die südlichen Staaten, die um ihr Tourismusgeschäft bangen. Dabei geht es zunächst gar nicht um Ökosteuern, sondern bloß um Gleichberechtigung: Während auf Sprit für Dieselloks und Pkws Mineralölsteuer lastet, bleibt Kerosin steuerfrei. Ein Liter kostet bloß 29 Pfennig. Allein private Flieger müssen die 50 Pfennig pro Liter an Mineralölsteuern zahlen. So entgehen der EU jährlich 16 Milliarden Mark Steuern. Nicht einmal Mehrwertsteuer müssen die Fluglinien abführen. So zahlen alle Bürger über ihre Steuern also mit für den, der zum x-ten Mal in Urlaub fliegt. Spediteure und Bahn müssen ihre Luftkonkurrenz indirekt mitfinanzieren.

Den Grünen wirft die Regierung gern Ökofanatismus vor, weil die den Kerosinpreis vervierfachen wollten. Doch würde die Mineralölsteuer eingeführt, entspräche das schon fast einer Verdreifachung. Es ist halt Wahlkampf. M. Urbach

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