Analyse: Italiens Politiker haben vorgesorgt
■ Berlusconi und Craxi kommen trotz Verurteilungen nicht in den Knast
Knüppeldick, so scheint es, kommt es derzeit für Italiens Oppositionsführer Silvio Berlusconi und noch dicker für seinen Freund und früheren Regierungschef Bettino Craxi: Zwei Jahre und vier Monate hat ein Mailänder Gericht gestern dem Medienherrscher wegen illegaler Parteienfinanzierung aufgebrummt. Der Ex-Sozialistenchef soll gar vier Jahre einsitzen, wegen Korruption.
Die Richter sahen es als erwiesen an, daß Berlusconi in den späten achtziger Jahren mit Hilfe einer panamaischen Scheinfirma namens „All Iberian“ umgerechnet 24 Millionen Mark aus seinen Unternehmen abgezweigt und für die Finanzierung ihm genehmer Politiker verwendet hatte, und daß der seinerzeitige Obersozialist Craxi der Hauptnutznießer der schwarzen Kasse war. Die Vorwürfe, so das Gericht, beruhen dabei nicht auf bloßen Verdächtigungen oder Schlußfolgerungen, sondern wurden von der Staatsanwaltschaft mit Hilfe vorwiegend in der Schweiz aufgetriebener Dokumente minutiös belegt.
Doch Italien wäre nicht Italien, hätte die Politikerkaste für solche Fälle nicht schon vorgesorgt. Trotz des relativ gepfefferten Strafmaßes muß Berlusconi nämlich den Knast nicht fürchten. Wie schon vor einer Woche, als er in einem anderen Prozeß zwei Jahre und acht Monate erhielt, liegt auch dieses Urteil unter der Grenze von drei Jahren. Und wer weniger als drei Jahre erhält, muß nach einer neuen Norm des Strafverfahrensrechts künftig nicht mehr ins Gefängnis. Er kann die Strafe in Hausarrest absitzen oder sozial nützlich Tätigkeiten verrichten. Da wird den Politikern schon etwas einfallen.
Bleibt die Frage, ob mehrere Einzelstrafen addiert werden, so daß die Dreijahresgrenze überschritten wäre. Hier streiten sich die Juristen noch. Aber selbst wenn – bis der Streit entschieden ist, werden Berlusconis Vergehen mit Sicherheit verjährt sein.
Etwas anders sieht die Sache beim früheren Chef der Sozialistischen Partei und zweimaligen Regierungschef Bettino Craxi aus: Die vier Jahre Freiheitsstrafe für ihn müßten, sollte das Urteil auch in den weiteren Instanzen Bestand haben, wirklich Gefängnis bedeuten. Zudem hat er bereits rechtskräftige Urteile in Höhe von über sieben Jahren auf seiner Strafliste. Allerdings: Auch er wird wohl nicht hinter schwedische Gardinen kommen. Denn er hat sich beizeiten aus dem Staub gemacht, residiert feudal im schönen Tunesien und hat nicht die geringste Absicht, sich den italienischen Behörden zu stellen. Auch da ist also vorgesorgt. Werner Raith
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