Analyse: Teurer Rubel
■ Die Bundesbürger zahlen die Verluste der Banken in Rußland
Der Rubel rollt in die falsche Richtung“, ängstigen sich vor allen anderen die deutschen Banken. Schon das zaristische Rußland war ein deutsch-bänklerischer Markt. 1890 hatte die Deutsche Bank erstmals Mannesmann-Rohre für den Kaukasus finanziert. Und der spätere Deutsche-Bank- Chef Christians bildete während des Kalten Krieges mit seiner Reisediplomatie die ökonomische Vorhut der brandtschen Ostpolitik. Christians sah einen riesigen Markt am Horizont aufscheinen. Zur Belohnung wurde der Bankier von Gorbatschow nach dessen Amtsantritt als erster westlicher Gesprächspartner empfangen. Dieser lange Atem dürfte der Deutsche-Bank-Spitze auch jetzt nicht ausgehen.
Die traditionsreichen Bindungen ließen Deutschland in der Jelzin-Ära zum wichtigsten Handelspartner Rußlands aufsteigen, zum stärksten Investor und zum größten Gläubiger. Die Moskauer Schulden bei der Bundesregierung belaufen sich auf 74,2 Milliarden Mark, die Forderungen deutscher Banken einschließlich ihrer Auslandstöchter summieren sich auf 50,5 Milliarden Mark. Rund die Hälfte davon ist nach Auskunft von Hermes über Bürgschaften abgesichert. „Abgesichert“ bedeutet: Fällt der russische Schuldner aus, springt eine staatliche Bürgschaft ein und bezahlt. Die eigentlichen Zahlmeister sind somit die Bürger. Die möglichen Belastungen des Bundes beziffert der Hamburger Versicherer Hermes, eine Tochter der Allianz, gegenüber der taz auf knapp sechs Milliarden Mark. Finanzgeschäfte ohne Hermes-Bürgschaften kommen den Steuerzahler ebenfalls teuer: Verluste können in der Bilanz abgeschrieben werden und mindern dadurch spätere Steuerzahlungen. Indirekt trägt auch solche Verluste etwa zur Hälfte der Staat.
Diese dichte Deckung schützt die deutsche Wirtschaft weitgehend vor realen Verlusten aus dem Rubel-Debakel. Auch die mittelbaren Schäden werden sich begrenzen lassen: Für 17 Milliarden Mark wurden im vergangenen Jahr Waren nach Rußland exportiert, ein Anteil von bescheidenen 1,9 Prozent am deutschen Außenhandel. Weiteren Schutz bietet das 23-Milliarden-Dollar-Hilfspaket von Weltbank und IWF – es bedient vorrangig russische Schulden im Ausland.
Trotzdem ringen die deutschen Banken um jeden Rubel. Nicht allein aus Geiz, denn das psychologische Überschwappen der Rubel-Krise bedroht die Aktieneuphorie. Institutionelle Investoren – Fonds, Banken, Konzerne – ziehen sich bereits peu à peu in Fluchtburgen wie Bundesanleihen zurück. Schon im ersten Quartal hatten sichere festverzinsliche Wertpapiere einen Rekordboom zu verzeichnen. Nun könnten selbst die lange ruhiggestellten Privatanleger panikartig aufwachen – das käme den deutschen Banken teuer zu stehen, aber auch der Konjunktur. Hermannus Pfeiffer
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