Analyse: Neue Offenheit?
■ Die rot-grüne Koalition will Geheimdienst-Kontrolle verbessern
SPD und Bündnisgrüne haben sich im Koalitionsvertrag eines heißen Eisens angenommen. Die auf mehrere Gremien verteilte parlamentarische Kontrolle der Geheimdienste solle zusammengefaßt und die Kontrollmöglichkeiten der Abgeordneten erweitert werden. Das klingt neu, ist es aber nicht. Bereits in der auslaufenden Legislaturperiode hatte die SPD einen Vorstoß in diese Richtung unternommen – doch die Gesetzesinitiative kam nie zur Abstimmung, weil CDU/CSU und FDP am Ende kniffen – obwohl sie dem Projekt anfangs zugeneigt waren. Intern hieß es, das Kanzleramt habe Druck ausgeübt – allen voran Geheimdienstkoordinator Bernd Schmidbauer. Nach dem SPD-Vorschlag sollten die Parlamentarische Kontrollkommission (PKK), die für Abhörmaßnahmen zuständige G-10-Kommission und das mit den Waffenexporten betraute Gremium für Wirtschafts- und Außenhandel zusammengelegt werden.
Ob SPD und Bündnisgrüne auf diesen Vorschlag zurückgreifen, ist offen. Der derzeitige PKK-Vorsitzende Wilfried Penner (SPD) will es zumindest nicht ausschließen.
Neun vom Bundestag gewählte Mitglieder umfaßt die amtierende PKK. Sie soll den Militärischen Abschirmdienst, den Bundesnachrichtendienst und das Bundesamt für Verfassungsschutz überwachen. Derzeit ist die PKK in einem Netz aus Rücksichtnahmen gefangen. Ihre Mitglieder unterliegen der Geheimnispflicht, dürfen sich nur in „wertender Form“ äußern und auch nur dann, wenn eine Zweidrittelmehrheit des Ausschusses dies zuvor gebilligt hat. Erst 1991 wurde der PKK per Gesetzesänderung eine Mitberatung bei der Aufstellung der Wirtschaftspläne der Geheimdienste zugebilligt. Nach wie vor aber erfolgt die Entscheidung über die Mittelzuweisung im sogenannten Vertrauensgremium des Haushaltsausschusses. Der Versuch der SPD, auch die Haushälter in ein neues Kontrollgremium einzubeziehen, wurde von den Betroffenen in der Vergangenheit brüsk abgeblockt. Haushälter, so Penner, seien eben „eine Spezies für sich“. Auf der Wunschliste der Grünen für eine neue PKK steht auch ein erweitertes Akteneinsichtsrecht. Zur Zeit „gewährt“ das Kanzleramt das Recht zur Durchsicht geheimen Materials. Auch die gewünschte Vorladung von Zeugen wie in einem Untersuchungsausschuß besteht nicht, lediglich die Bundesregierung hat eine Unterrichtungspflicht. In der Vergangenheit übernahm diese Aufgabe Schmidbauer. Kohls Nachfolger Schröder will bekanntlich auf einen Geheimdienstkoordinator verzichten. So würde Bodo Hombach, designierter Kanzleramtsminister, in der PKK in Zukunft Rede und Antwort zu stehen haben. Wieviel er sagen muß, wird nicht zuletzt von der Reform der Kontrollmechanismen durch Rot-Grün abhängen. Severin Weiland
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