Analyse des Wahlergebnisses in Berlin: Eine Klatsche für Michael Müller
Zwar haben die Tegelgegner einen Achtungserfolg erzielt. Aber die Bundestagswahl ist für die Berliner SPD kein Erfolg. Sie fällt hinter die Linke auf Platz drei.
Gut möglich, dass Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) am Wahlabend lieber auf die langsam eintrudelnden Ergebnisse des Volksentscheids Tegel schielte als auf die Frage, wie seine Berliner SPD und deren Direktkandidaten in den Wahlkreisen abschnitten. Denn eines dürfte Müller klar gewesen sein: Triumphieren die selbsternannten Tegelretter mit einem Ergebnis von 60 Prozent und mehr, hätte der Senat ein Riesenproblem an der Backe gehabt.
Natürlich sind auch 55 Prozent für die Offenhaltung von Tegel ein Ja. Verglichen mit dem Vorsprung von 70 Prozent, bei dem die FDP und Co. starteten, ist der Trend aber deutlich. Die klaren Aussagen der Bundeskanzlerin, die hohen Kosten für eine Runderneuerung von TXL, der Schallschutz, der dann nötig wäre, sowie die rechtlichen Hürden, Tegel offenzuhalten, haben ihre Wirkung nicht verfehlt. Der Senat, der sich nach langem Zögern bereit erklärt hatte, sein Nein zu Tegel auch offensiv zu vertreten, hat mit seinen Argumenten mehr und mehr Bürgerinnen und Bürger erreicht.
Beim Blick auf die Bundestagsergebnisse aber dürfte dem Regierenden Bürgermeister ziemlich flau im Magen geworden sein. Denn seine SPD hat bei der Wahl im Vergleich zum Urnengang vor fünf Jahren deutlicher mehr verloren als die Bundes-SPD. Bei den Zweistimmen liegen die Genossen nun hinter CDU und Linken nur noch auf Platz drei. Für die stärkste Partei im rot-rot-grünen Senat ist das eine Schlappe, wenn nicht gar ein Debakel.
Dies umso mehr, als sich die Linke getrost zu den Wahlsiegern in Berlin fühlen kann. Sie hat ihre vier Mandate im Osten der Stadt verteidigt. Umkämpft blieb bis zuletzt der Wahlkreis in Friedrichshain-Kreuzberg. Sollte die Grüne Canan Bayram ihn an die Linke verlieren, dürfte nicht nur die SPD, sondern auch die Grünen, die bald vielleicht im Bund regieren, in Berlin als Verlierer vom Feld gehen.
Wenn am Montag der SPD-Landesvorstand zusammenkommt, muss sich Müller unangenehme Fragen gefallen lassen. Zwar kann er dann darauf verweisen, dass seine SPD immerhin das ein oder andere Direktmandat geholt hat. Selbst wenn er dabei mit einem blauen Auge davonkommen sollte: Es wäre auch ein AfD-blaues Auge. Denn der Wahlerfolg der Rechtspopulisten zeigt, dass auch Berlin eine zutiefst gespaltene Stadt ist. Der Ton wird zweifelsohne schärfer werden. Das ist beunruhigend.
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