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Amoklauf nach EntlassungPistole in der Lunchbox

Bierfahrer Thornton galt als friedlich. Dann erwischt man ihn beim Bierklau und feuert ihn. Gleich darauf erschießt er neun Kollegen und behauptet, er habe, "die Rassisten getötet".

Trost nach dem Schock: Ein Priester mit drei Frauen vor einer Schule im Ort, wo sich nach dem Amoklauf Angehörige und Kollegen der Opfer trafen. Bild: reuters

WASHINGTON taz | "Er war die freundlichste und friedlichste Person, die man sich vorstellen kann", sagt die Mutter seiner langjährigen Freundin über Omar Thornton. Am Dienstagmorgen, während des Schichtwechsels in dem Getränkelager in Manchester im Bundesstaat Connecticut, packt der 34jährige Fahrer eine Pistole aus und beginnt, auf seineKollegen zu schießen. Minuten später sind acht Kollegen tot und zwei verletzt.

Omar Thornton zieht sich in ein Büro zurück. Er telefoniert noch zehn Minuten mit seiner Mutter, die vergeblich versucht, ihn vom Selbstmord abzuhalten. Als die Polizei anrückt, erschießt er sich selbst.

Alle neun Toten vom Dienstagmorgen arbeiteten beim Familienunternehmen "Hartford Distributors". Der Todesschütze selber war dort seit zwei Jahren als Fahrer eines Bierlasters tätig. Wenige Momente vor seinem Amoklauf hatte er ein letztes Gespräch mit Vorgesetzten. Dabei konfrontierten sie ihn mit einem Video, das ihn dabei zeigt, wie er Bier stiehlt. Um wieviel Bier es geht, ist unbekannt.

Jedenfalls stellen ihn seine Vorgesetzten vor die Alternative, entlassen zu werden oder selber zu kündigen. Omar Thornton kündigt. Sein Gewerkschaftsvertreter von den "Teamsters", der bei dem Gespräch anwesend ist, will ihn anschließend zum Werksausgang begleiten.

Auf dem Weg zückt Omar Thornton die Waffe. Sein Vorgesetzter meint, er habe die Pistole aus einem Lunchpaket gezogen. Jedenfalls ist der Gewerkschafter eines der ersten Opfer. Der Vorgesetzte wird von zwei Schüssen getroffen, überlebt aber. "Wie durch ein Wunder", urteilt er später selbst.

Darüber, ob Omar Thornton seine Opfer gezielt ausgewählt hat oder ob er wahllos in die Lagerhalle geschossen hat, gibt es unterschiedliche Darstellungen. "Er war kalt wie Eis und sehr ruhig. Er schrie nicht", berichtet der Vorgesetzte Steve Hollander. "Er tötete gute Menschen – ohne den geringsten Grund. Leute, die ihm nie ein böses Wort gesagt haben."

Der Todesschütze selbst sah das anders. Bei dem letzten Telefonat mit seiner Mutter soll er gesagt haben: "Ich habe die fünf Rassisten getötet, die mich belästigt haben". So gibt es Stunden später sein Onkel Will Holliday an die Presse weiter.

Kollegen und Angehörige beschreiben Omar Thornton als arbeitsamen Beschäftigten und friedliebenden Mann. "Er trank nicht. Er rauchte nicht und er hatte keine Probleme mit dem Gesetz", sagt seine Schwester Mayshell Kinder über ihn: "er war ein guter Junge". Sie fügt hinzu,dass er "Mamas Liebling" gewesen sei.

Omar Thorntons Angehörige wissen von rassistischen Belästigungen am Arbeitsplatz. Immer wieder hat er ihnen von rassistischen Bildern und Sprüchen erzählt. Und von einer Zeichnung in der Toilette. "Jeder Mensch hat eine Zerreissgrenze", sagt Joanne Hannah, die Mutter seiner Freundin, nach Omar Thorntons Amoklauf.

In dem Betrieb, wo er der einzige schwarze Beschäftigte seiner Abteilung war, ist nichts von Rassismus bekannt. Sprecher der "Teamsters" bestreiten, dass Omar Thornton je bei der Gewerkschaft wegen Rassismus vorstellig geworden sei. "Das hier hat nichts mit Rassen zu tun", will Teamsters Sprecher Christopher Roos wissen: "hier geht es um einen Beschäftigten, der sich über eine Disziplinarmaßnahme aufregt und auf einen Haufen Leute schießt".

Und die Hollanders, die das Unternehmen seit Jahrzehnten führen und die unter anderem Geld für die öffentliche Bücherhalle unddie jüdische Gemeinde spenden, bestreiten, dass es in ihrem Unternehmen Fälle von Rassismus gebe.

Fest steht, dass Omar Thornton einen Waffenschein hatte. In seinem Facebook-Eintrag hat er unter der Rubrik "gefällt mir" und "persönliche" Interessen auch den Waffenladen "Hoffman's Gun Center" in der Nachbarstadt Newington aufgelistet. Hoffman's wirbt mit dem Slogan: "Guns for the good guys" (Gewehre für die guten Kerle) und verkauft seine Schusswaffen auch online.

Wer zwei Pistolen auf einmal erwirbt, bekommt bei Hoffman's einen Rabatt von 50 Dollar. Auf der Homepage des Waffenladens bittet eine blonde Kandidatin der Republikaner um die Unterstützung der "Gewehr-Besitzer" bei den bevorstehenden Wahlen. Aber Omar Thorntons politische Sympathien lagen weiter links. In seinem Facebook-Eintrag verweist er auf die Seite der Demokraten und auf jene von US-Präsident Barack Obama.

Sein Amoklauf vom Dienstag Vormittag in Connecticut ist der tödlichste seit vergangenem November. Damals erschoss ein Militärpsychiater in Foot Hood in Texas 13 Menschen.

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12 Kommentare

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  • DH
    dorothea hahn

    Liebe LeserInnen,

     

    die Kritik ist völlig berechtigt: Eine "handgun" ist eine Pistole. Und ich habe das falsch übersetzt.

    Asche über mein Haupt. Wir haben den Fehler korrigiert.

     

    Gruß, Dorothea Hahn

  • H
    Happes

    Das berühmte "Second Amendment", jener Zusatz zur und Bestandteil der Amerikanischen Verfassung, das jedem das Recht einräumt, eine Waffe zu besitzen und zu tragen, stammt aus dem Jahr 1791. Zu der Zeit hat man in Europa noch Hexen verbrannt. So bedauerlich es ist, dass die für die Hexenverfolgung zuständigen Institutionen bis heute existieren: man scheint dazugelernt zu haben.

     

    Vielleicht sollte man den Begriff der "zivilisierten Staaten" mal überdenken - oder wenigstens aufhören, die USA dazuzurechnen oder gar als Führungskraft dieser Staaten misszuverstehen.

  • B
    Brenner

    @ Karl @ Redaktion

     

    Kann der Übersetzungskritik nur zustimmen.

     

    "Handgewehr?" "Handgun?" "Handfeuerwaffe".

     

    "über Oma Thronton?" "Omar Thronton?"

     

     

    Biete mich freiwillig als Mitarbeiter und Korrekturleser an, ehrenamtlich versteht sich!

  • S
    Snark7

    Na, ist doch in Europa auch schon Standard.

    Sofern der Täter in irgendeiner Form zum Opfer der Gesellschaft glorifizierbar ist, sind die echten Opfer Rassisten oder jedenfalls eh sonst irgendwie selbst dran schuld.

     

    Und die Übersetzung von (vermutlich) Handgun im Original zu "Handgewehr" ist schon wirklich saudumm. Vielleicht sollte man solche Artikel doch von jemand bearbeiten lassen, der sowohl des englischen, als auch des deutschen mächtig ist?

  • D
    deviant

    Seltsames Land: Verbietet Feuerwerk, aber erlaubt Feuerwaffen, verbannt Sex, aber berauscht sich an Gewalt...

     

    Dass Menschen gelegentlich austicken, das ist ganz normal; dass sie dabei die nächsttaugliche Waffe greifen, das ist menschlich; dass das ausgerechnet eine Faustfeuerwaffe und nicht die Faust an sich ist, das ist tragisch; dass Menschen hüben wie drüben dafür kämpfen, dass es die Faustfeuerwaffe bleibt, das ist der Skandal!

  • Q
    Quotenkonservativer

    Was ist denn bitte ein "handgewehr"? Google translate, was?

     

     

    Und dass der Amoklauf des Psychi(!)aters als Terroranschlag gilt, ist mir auch neu.

  • U
    unbekannt

    handgun im Englischen entspricht im Deutschen wohl eher einer Pistole. Die würde, im Gegensatz zu einem Gewehr, auch in eine Lunchbox passen. Ergibt Sinn, oder?

    Außerdem liest man im ersten Absatz was von einer "Oma Thronton". Wie kann man einen Namen in einem Rutsch gleich doppelt falsch schreiben?

    Gegenlesen würde helfen...

  • P
    Peter

    Toter als tot "ist der tödlichste"?

  • S
    sonja

    Na, wenn ich so den Text lese, muss ich mich doch schon fragen: Wieso sollte jemand, der angeblich nicht trinkt, Bier klauen? Und wieso wird das nur durch ein Video "bewiesen" und nicht etwa bei einer Durchsuchung, wo geklautes Bier gefunden wird?

     

    In Deutschland würde sowas doch sicher eine große öffentliche Diskussion auslösen, ähnlich wie bei "Emily" oder dem "Maultaschen-Fall". In USA bleibt den Betroffenen wohl nur, ihre Frustration auf solch gewalttätige Art und Weise abzulassen (Vielleicht weil sie es genau so empfinden?) Und wird ihnen ja quasi auch nahegelegt, durch die Prima Waffengesetze!

  • S
    SMT

    Nicht ganz gelesen aber: ein "Handgewehr" gibt es nicht, wenn ihr aus dem englischen "Handgun" falsch übersetzt habt dann heist das normalerweise "Faustfeuerwaffe" oder schlicht und ergreifend "Pistole" und eine "Pistole" kann man auch aus dem Lunchpacket ziehen, was bei einem "(Hand)Gewehr" schon schwieriger wird....

  • K
    Karl

    @ Redaktion

     

    Möglicherweise sollte Ihr den Text aus dem Übersetzungsprogramm auch mal gegenlesen.

     

    Die Aktion des Psychaters wird allegemein als Terroranschlag gewertet, nicht als Amoklauf.

     

    Glück auf!

     

    Karl

  • O
    otto

    Merkwürdige Berichterstattung.

    Klingt fast wie: Guter linker Schwarzer bestraft Rassisten!

    Gehts noch?