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Amnesty International Jahresbericht 2009Folter in 111 Staaten

Amnesty beklagt weltweite Missstände. Trotzdem sei 2009 ein "Meilenstein der Menschenrechte" gewesen – der Internationale Strafgerichtshof habe dazu beigetragen.

Sie ist enttäuscht von Obama: Monika Lüke, die Generalsekretärin von Amnesty International Deutschland. Bild: dpa

BERLIN taz | Straflosigkeit für schwerste Menschenrechtsverletzungen, Folter und Misshandlung von Gefangenen in mindestens 111 Staaten, unfaire Verfahren in mindestens 55 Staaten, Einschränkung der Meinungsfreiheit in mindestens 96 Ländern: Das sind die wichtigsten Anklagepunkte des neuen Jahresberichts von Amnesty International, den die Menschenrechtsorganisation am Donnerstag weltweit veröffentlicht. Dabei bemüht sich Amnesty auch, positive Entwicklungen darzustellen.

2009 sei ein "Meilenstein für die Menschenrechte" gewesen, sagt die deutsche Amnesty-Generalsekretärin Monika Lüke. Zahlreiche Gerichtsurteile und politische Entscheidungen 2009 hätten die Aussage unterstrichen, dass niemand über dem Gesetz stehe.

Insbesondere der erste Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofes gegen ein amtierendes Staatsoberhaupt, Sudans Präsidenten Omar al-Bashir, gegen den Widerstand fast aller afrikanischer Staaten sei wichtig gewesen, sagte Lüke bei der Vorstellung des Berichts in Berlin am Mittwoch.

USA, China und Russland stellen sich taub

Auch Peru, wo der ehemalige Präsident Alberto Fujimori wegen während seiner Amtszeit begangener Verbrechen zu 25 Jahren Haft verurteilt wurde, habe Maßstäbe gesetzt. Allerdings hätten sich die USA, China, Russland, Iran und Afghanistan gegenüber Forderungen nach Aufklärung und Verfolgung von Menschenrechtsverletzungen "taub gestellt", sagte Lüke.

Ausführlich geht auch Claudio Cordone, noch bis Juni dieses Jahres Interimsgeneralsekretär in der Londoner Amnesty-Zentrale, im Vorwort des Jahresberichts auf die internationale Strafverfolgung ein. Er zeichnet das Bild einer Erfolgsgeschichte, wobei der Internationale Strafgerichtshof eine zentrale Rolle spiele.

"Selbst in Staaten, die die Gerichtsbarkeit des Internationalen Strafgerichtshofes nicht akzeptieren, hat allein die Existenz dieses Gerichts die Frage der Rechenschaftspflicht verstärkt in den Mittelpunkt gerückt", schreibt Cordone. Derzeit haben 81 Staaten das Statut des Internationalen Strafgerichtshofes noch nicht unterzeichnet, darunter sieben G-20-Staaten.

Verschlechterungen in Afghanistan und Iran

In den Länderberichten, traditionell der Schwerpunkt im Datenteil des Jahresberichts, hebt Amnesty insbesondere Afghanistan und Iran hervor. Nach wie vor würden in Afghanistan Zivilisten Opfer der Taliban und anderer bewaffneter Gruppen sowie auch der internationalen Streitkräfte.

"Wenn Präsident Karsai bei den anstehenden Verhandlungen mit den Taliban die wenigen Fortschritte bei den Menschenrechten opfert, muss die internationale Gemeinschaft klarmachen: Die Menschenrechte sind nicht verhandelbar", forderte Monika Lüke.

Auch im Iran hat sich laut Amnesty die Situation deutlich verschlechtert. Seit den Präsidentschaftswahlen im Juni 2009 habe die Verfolgung von Oppositionellen und Menschenrechtsverteidigern zugenommen. In Schauprozessen seien über 80 Personen verurteilt worden, mindestens 16 davon zum Tode.

AI ist enttäuscht von Obama

Enttäuscht zeigt sich Amnesty von der Regierung Barack Obamas. Weder habe er seine Ankündigung eingehalten, das Gefangenenlager in Guantánamo binnen eines Jahres zu schließen, noch seien die großen Rechtsstaatsprobleme bei der Behandlung von Terrorverdächtigen beseitigt worden.

"Wenn einige Gefangene von Guantánamo nach Illinois verlegt werden, aber weiter ohne rechtsstaatliches Verfahren in Haft bleiben, ändert sich für diese Männer nichts – außer der Postleitzahl", sagte Lüke.

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6 Kommentare

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  • S
    Stefan

    @ moris:

    Falsch, AI hätte sich um nichts Anderes kümmern dürfen, solange die Terror-Solidaritäts-Show für die Hamas läuft. Was sind denn schon Unterdrückung von den grundlegenden Menschenrechten, wenn die Israelis Terroristen daran hindern Juden abzuschlachten. Das dürfen wir nicht dulden.

  • E
    end.the.occupation

    >> AI hat Israel vergessen

     

    Das ist nicht korrekt. Nachzulesen in dem Report etwa ab Seite 129 - in etwa.

    Überhaupt hat sich AI in Sachen Palästina weiterbewegt - sowohl beim isr. Überfall auf den Libanon 2006 wie auch bei dem Überfall auf Gaza. AI hat sich zum Beispiel auch für Jamal Juma und Mohammad Othman eingesetzt. Was jedoch fehlt, ist eine dauerhafte Kampagne gegen das kafkaeske Militärstrafsystem in den BG.

     

    Aber - gemessen an der taz-NO-Berichterstattung ist die Weste von AI geradezu leuchtend weiss.

     

    Die Frage ist, ob in dem Report auch Deutschland vertreten ist, das die internationale Kinderrechts-Konvention nicht unterschrieben hat (?) und nach wie vor Menschen (und Kinder) gefangen hält, deren einziges Verbrechen darin besteht in die BRD eingereist zu sein.

    Ganz zu schweigen von Frontex und anderen Schweinereien.

  • KH
    Karin Haertel

    Ein ganz wichtiges Anliegen sollte es AI sein dafuer zu sorgen, dass in Deutschland Maenner und Frauen fuer die gleiche Arbeit auch gleich bezahlt werden. Frauen verdienen bis zu 25% weniger als Maenner. Hier haette man ein sehr nuetzliches Betaetigungsfeld, anstatt sich staendig inj die Rechtsprechung fremder Laedner einzumischen und das auch nur aus sicherer Ferne.

  • FK
    Fritz Katzfuß

    Der Jahresbericht von AI macht mich sehr nachdenklich. Verstehe ich das richtig, dass AI Krieg für Menscenrechte unterstützt? Den Krieg und diesen? (Obwohl Köhlers Horst doch gesagt hat, worum es ging?) Mir scheint AI will die Menschenrechte NEUERDINGS mit Gewalt durchsetzen- wie es in der Internationale z.B. ja auch gefordert wird- unterstützt deswegen die NATO, die das ja vielleicht auch will- das wäre eine Katastrophe, was aus den Menschenrechten wird, die man mit Gewalt erkämpft sieht man ja z.B. auch im Herrschaftsbereich eben der Internationale...auch in Guantanamo, ich werden meine Spendenpraxis für Ai überdenken und gewiss nicht intensivieren. Die Pastorentochter neigt mir zu sehr zum heiligen Krieg.

  • P
    Potzblitz

    Bagram, vom US-Folterlager Bagram in Afghanistan ist nicht die Rede? Bagram ist das aktuelle Guantanamo. Der erwähnte Haftbefehl gegen Sudans Präsidenten Omar al-Bashir ist unverschämt, solange ein Angriffskrieger wie Bush jun. frei herumläuft. Nur al-Bashir ist weniger mächtig, da traut die 'Weltgemeinschaft' sich.

    Obama und seine Kriege? Was ist eigentlich mit der Ermordung von Menschen mittels US-Bombern und US-Drohnen überall auf der Welt? Länder sollen ganz offiziell weiter destabilisiert werden. Na, wo bleibt auch hier der Haftbefehl?

    Ganz zu schweigen von der Todesstrafe in den USA.

  • M
    moris

    AI hat Israel vergessen, anders hat man auch nicht erwartet. Die Gaza wird seit über 3 Jahren hermetisch abgerigelt und das stört AI gar nicht.