: Amigos und Hendl
In Thomas Kronthalers Filmdebüt „Die Scheinheiligen“ ist Oberbayern ein überaus korrupter Komödienstadl
Die schönste Aussicht im bayerischen Oberland, auch wenn man's kaum glauben mag, ist die auf die Autobahn. Dreispurig liegt sie da, sanft gekurvt und voll von eigentlich schnellen, aufgrund ihrer Menge aber oft langsam dahinkriechenden Wagen. Ein heilsamer Anblick. Balsam für die Seele. Da kommt der Bürgermeister von Daxenbrunn auf seiner Aussichtsbank hoch überm Verkehr ins Träumen. 12.000 Hendl! Wenn das keine Vision ist. 12.000 Hendl am Tag, wenn nur jedes 50. Auto an der Grillstation hält, die an der neu zu bauenden Autobahnabfahrt stehen wird. Das ist die Rettung für seine Gemeinde.
Die Einstellung, in der Thomas Kronthaler in der Idylle der Alpenkulisse Werner Rom als Bürgermeister Matthias auf die hässliche Autoschlange runterschauen lässt, ist eine der überzeugendsten in seinem Abschlussfilm an der Film- und Fernsehhochschule München, der „Die Scheinheiligen“ heißt und von der alten Bäuerin Magdalena Trenner erzählt, der das Land um die Autobahn gehört. Der Bürgermeister und der Landrat Dr. Sigeis wollen ihr dieses Land abluchsen, damit in Daxenbrunn endlich der Rubel rollt. Die Trennerin, die von der 88-jährigen Schauspielerin Maria Singer absolut hinreißend gespielt wird, kann sich jedoch mit Hilfe des Holzschnitzers Johannes (Johannes Demmel) und des schwarzafrikanischen Asylbewerbers Theophile (Michael Emina) gegen die geschäftstüchtigen Honoratioren wehren. Zu ihnen gehört – natürlich – auch der Pfarrer (Andreas Lechner), dem der Johannes eine neue Mutter Gottes schnitzen soll, weil er die alte, wertvolle an einen Sammler in Rosenheim verkaufen will. Sein Gott, zu dem er betet, ist denn auch eher in der Hölle als im Himmel zu finden, immerhin heißt er Franz Josef Strauß.
Ersichtlich ist es eine Konstellation für den Komödienstadl, die Thomas Kronthaler für seinen Erstlingsfilm entwickelte, auch wenn ihm das Vorhaben eines real existierenden Bürgermeisters, an der Autobahnausfahrt Irschenberg ein McDonald's zu genehmigen, den Plot lieferte. Kronthaler wiederum hofft, sein Komödienstadl mit entsprechenden Film- und Fernsehzitaten (der Polizist Django würde zu gern wie Schimanski agieren) zugleich ironischer und gewichtiger zu machen als das übliche Volkstheater. Leider übersieht er dabei den politischen Aspekt, dass es nämlich kein Märchen ist, dass in Bayern Baugenehmigungen illegal erteilt, Gefälligkeitsgutachten mit Beförderungen belohnt und Wahlen (wie zuletzt in Dachau) gefälscht werden. Seine Daxenbrunn-Geschichte hätte man sich im Kino also als böse Satire gewünscht, mit zynischen Untertönen, wie sie die – bitte schön Sat.1-Serie – „Der Bulle von Tölz“ jederzeit im Überfluss liefert.
Kronthalers Figuren sind zu symmetrisch und simpel konstruiert, um aus der Angelegenheit Funken zu schlagen. Die einen sind korrupt und falsch, die anderen stur und kämpferisch: Dass Konfrontationen und Dialoge vorhersehbar sind, wundert nicht. Maria Singer als Trennerin besitzt jedoch einen Charme, der einen in der Geschichte hält, und sie darf auch mal einen schönen Satz sagen wie: „Heilige kann ma net umtauschen. ’s gibt keine echten, und ’s gibt keine falschen“. BRIGITTE WERNEBURG
„Die Scheinheiligen“. Regie: Thomas Kronthaler. Mit Maria Singer, Johannes Demmel, Andreas Lechner u. a. 79 Min.
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