piwik no script img

Amerikanische Offline-InitiativeDigitaler Sabbat

Das Telefon-Display mehr im Blick als das Gegenüber am Tisch? Eine New Yorker Organisation rät: Einmal komplett vom Netz abmelden.

Handy aus. Bild: dpa

BERLIN taz | Ein kompletter Tag ohne Smartphone, ohne Emails, neue Tweets oder Benachrichtigungen von Facebook - dafür steht der „National Day of Unplugging“, der seit vier Jahren am ersten Freitag im März stattfindet - weltweit.

Der Zeitraum - von Freitag Abend bei Anbruch der Dämmerung bis zum darauf folgenden Samstag Abend - deckt sich mit dem jüdischen Sabbat. Das ist kein Zufall: Ins Leben gerufen hat den Offline-Tag die Initiative „Sabbath Manifesto“ mit Sitz in New York. Unter dem Motto „Slowing down lives since 2010“ suchen die Mitglieder nach Möglichkeiten, einen Ruhetag pro Woche mit dem als hektisch empfundenen und oft durch ständige Erreichbarkeit gekennzeichneten modernen Leben zu vereinbaren.

„Viele Menschen reagieren auf jeden Piep ihres Telefons und achten nicht mehr richtig auf das, was wirklich um sie herum passiert“, sagte Tanya Schevitz von „Sabbath Manifesto“ gegenüber taz.de. „Man sieht so häufig Leute in Restaurants, die sich gegenseitig anschweigen und auf ihre Smartphones schauen. Wir wollen, dass sie sich wieder mehr auf das fokussieren, was wirklich wichtig ist.“

Obwohl der „National Day of Unplugging“ in der jüdischen Sabbat-Tradition wurzelt, richtet sich die Initiative nicht speziell an Juden, sondern ausdrücklich an Menschen jeder Glaubensrichtung und auch an Atheisten. Die Idee: Alle Teilnehmer sollen einen Tag lang das Internet Internet sein lassen und sich voll auf Freunde, Familie und Partner konzentrieren. Sie sollen die Zeit nutzen, um ihre Nachbarn besser kennenzulernen, ihrem Kind ein Buch vorzulesen oder eine Mahlzeit ohne ständige Unterbrechungen durch neue Facebook-Statusmeldungen einzunehmen.

Für einen Tag heißt es: „Avoid technology“. Statt dessen: „Connect with loved ones“. Aufgerufen wird dazu, sich ohne Dauer-Erreichbarkeit von der Arbeit zu erholen, nach draußen in die Natur zu gehen oder Freunde zu Wein bei Kerzenlicht einzuladen.

Party mit Smartphone-Verbot

Die Veranstalter rechnen in diesem Jahr mit zehntausenden Teilnehmern aus über hundert Ländern, 200 Partnerorganisationen hätten sich bereits angemeldet.

Teilnehmer zeigen auf der Homepage nationaldayofunplugging.com, wofür sie an diesem Tag aufs Internet verzichten wollen: Auf einem Foto hält eine Kanadierin ein Plakat mit der Aufschrift „I unplug to celebrate my daughter's birthday“ hoch. Auf dem Foto, das eine junge New Yorkerin hochgeladen hat, ist zu lesen „I unplug to read comic books“. „I unplug to go bowling“ lässt ein junger Mann aus San Francisco wissen. Dort werden auch Veranstaltungen wie eine „Analog Zone“-Party in San Francisco mit Telefon-Abgabe am Eingang gepostet. „Device-free“, „No networking“, „no work-talk“ - das sind die Regeln für die Veranstaltung. In einer Stadt in Australien wird ein „nap-in“ organisiert.

Ganz Eifrige können auf der Seite sogar einen kleinen Leinenbeutel in Handygröße bestellen, den „Cell phone sleeping bag“. Und im community-Bereich können die Offline-Fans ihre persönlichen Erfahrungen am Internet-freien Tag schildern - einloggen sollten sie sich natürlich erst nach Ende des Sabbats.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Meiner Meinung nach vorwiegend hohle Symbolpolitik, die dann auch noch ganz großspurig als neuer Lifestyle propagiert/zelebriert wird.

     

    Ich finde, man sollte das nicht als eine schwarz/weiße "entweder...oder"-Thematik begreifen, sondern als eine "mehr oder weniger"-Thematik, also das man ganz kontinierlich den Konsum drosselt und somit das Ganze einfach auslaufen lässt und man sich das stillschweigend abgewöhnt. Kalter Entzug muss nicht immer die beste Lösung zum Runterkommen sein.

  • T
    Typ

    einmal im Jahr?!? Das sollte man einmal die Woche machen! Mindestens...