: Amerika
■ Fanny Müller:
Es ist bekannt, daß jemand, der lügt, ein gutes Gedächtnis haben muß. Weniger bekannt ist, daß man Lügen nur ganz knapp erzählen soll, weil sonst ein Mißtrauen aufkommen kann.
Als die Untermieterin ausgezogen war, hörte ich am nächsten Tag den Anrufbeantworter ab, um zu sehen, ob noch Botschaften für sie drauf wären. Da hatte eine Bekannte der Untermieterin namens Anneliese angerufen, um sich zu entschuldigen, daß sie beim Umzug nicht geholfen hatte: „Leider konnte ich nicht kommen, weil meine Mutter gestern morgen Geburtstag hatte. Das heißt, sie hatte nicht bloß morgens Geburtstag, sondern den ganzen Tag, auch abends.“ Da schrillten bei mir schon die Alarmglocken. Die Untermieterin führte dann verschiedene Recherchen durch, und tatsächlich stellte sich heraus, daß Annelieses Mutter überhaupt nicht Geburtstag hatte, weil sie schon seit 12 Jahren in Amerika ist. Nun kann man auch in Amerika Geburtstag haben, das ist ja logisch; aber nicht, wenn man da schon seit sieben Jahren in Illinois auf einem Friedhof liegt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
