piwik no script img

Amerika, Neuseeland und IkeaBei den Teutonenmaori

Trump klagt im Weißen Haus auf Eigenbedarf und Biden wird es schwer haben, das Land wieder zu vereinen. Aber Spalten können wir hierzulande auch.

Frisch vom Golfen zurück: alter Mann mit weißer Mütze Foto: Reuters/ Carlos Barria

t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?

Friedrich Küppersbusch: Tag-Nacht-Rhythmus.

Und was wird besser in dieser?

Wir brauchen eine neue, diverse Formulierung für „It ain’t over untill the fat Lady sings“.

Die USA haben gewählt und nach langer Hängepartie steht das Ergebnis endlich fest: Neuer Präsident ist … Ah, Moment, wir hören gerade … [Hier Zweifel, Betrugsbehauptung oder Trump-Klage des Tages einfügen] My God, Herr Küppersbusch, wann gibt es denn endlich Sicherheit?

Wenn die Deutsche Bank Trump die Kreditlinie streicht. Zudem laufen 18 Strafverfahren gegen ihn. Gerald Ford schubste den premiumkorrupten Richard Nixon mit einer umfassenden Amnestie aus dem Office; damals ein Skandal, heute unmöglich: Biden kann die 900 Mio. Trump-Schulden eh nicht wegatmen noch Verfahren in Bundesstaaten aufheben. Eher wird der president-elect einen „anständigen“ Republikaner in sein Kabinett aufnehmen wie zuvor Obama auch. Trumps Anwaltskrieg um Auszählungen ist eine Eigenbedarfsklage auf Wohnrecht in der Anderswelt – psychologisch. Im Effekt zumindest verbrämt sie schäbige kleine Themen wie Konkurs, Knast, Katastrophe.

Klar ist: Trump holte am Ende wesentlich mehr Stimmen, als viele nach vier Jahren Lügen, Trügen und Diktatoren-Zuzwinkern erwartet hätten. Auf welche Formel bringen Sie die Faszination Trump?

Heilsamer Spuk. Trumps Amokfahrt hat zahllose Schwächen der amerikanischen Demokratie aufgedeckt, und Biden wird circa genau keine davon reformieren können, sondern den Laden erst wieder zusammenführen. Ohne die morschen Verfahren und Institutionen anzufassen. Also bleibt uns, den Horror von Trump und die Zuneigung zu Biden in eine geläuterte und auch erwachsenere Idee von Europa zu gießen. Lasst uns Freunde bleiben.

Immerhin dürfen jetzt endlich alle wieder fröhlich rumprognostizieren. Was sehen Sie in der Glaskugel für die nächsten vier Jahre US- und Weltpolitik? Gerne kurz fassen!

Rückkehr der USA zum Pariser Abkommen, Unterstützung für die irische Position beim Brexit, klammheimliche Versuche um das zertrumpelte Iran-Abkommen. Weiter Truppenabzug aus Deutschland, weiter Rüstungsforderungen der USA. Behutsamere Justierung von Neufeind China und Altfeind Russland. Ein nicht unwesentlicher Kollateralnutzen: Selbst im Mutterland der entfesselten Profitgier sind die epochal neuen Medien an Grenzen gestoßen, wo Habsucht an den Selbstmord der Gesellschaft grenzt.

Anderes Thema. Auf Anschläge wie den in Wien vor einer Woche folgen häufig Debatten über Prävention, über Polizeibefugnisse, über Reli­gi­ons­kritik und über den Islam. Welche ist Ihnen die liebste?

Wut ist gestauchte Trauer. Die liebste wäre mir Slowmotion. Intellektuell auch.

Während überall sonst die Welt untergeht, hat die neuseeländische Premier Jacinda Ardern das vermutlich diverseste Kabinett aller Zeiten vorgestellt. Was empfehlen Sie, jetzt auswandern?

Ich wähne die CSU sich als Spitzenidentitätspolitiker in Krachledernen und Dirndln positionieren. Teutonen­maori. Derzeit sehr unübersichtlich, wo Linke die Repräsentanz von Migration, LGBTQ und korrektes Gendern fordern – und Rechte begeistert „Deutschland den Deutschen“ zustimmen. Die Güte auch des diversesten Kabinetts wird sich in seiner Integrationskraft ausdrücken, nicht in seinem Spaltpotenzial.

Der Staat gibt viel Geld für Coronahilfen aus, Linkspartei und Rosa-Luxemburg-Stiftung fordern deswegen eine Vermögensabgabe für die reichsten 0,7 Prozent. Die ARD berichtete zuerst – und vergaß ganz und gar, dem eine wirtschaftsliberal-skeptische Stimme entgegenzusetzen. Macht Corona den Sozialismus?

Statt kongenial „Was soll das!?“ zu knödeln, begrüßt auch Kulturstaatsministerin Grüters den Vorschlag Herbert Grönemeyers, Millionäre sollten eine Abgabe für Kulturschaffende zahlen. Die „Linke“ beruft sich auf eine Studie des unverdächtigen „Deutschen Instituts für Wirtschaft“ DIW. Und „ARD aktuell“ zitiert dazu immerhin auch Stimmen aus der SPD („grobe Richtung stimmt“) und der Union („Braucht kein Schwein“). Kurz: Da pickt ein Wahlkampf­thema von innen ans Ei.

Ikea bietet nun auch gebrauchte Möbel zum Verkauf an, wegen Klima und so. Derweil werden viele Ikea-Möbel immer noch in Niedriglohnländern produziert. Image erfolgreich aufpoliert?

Man muss Klippan und Billy „vollständig und ohne Funktionsmängel zurückbringen.“ Das ist nach meiner Erfahrung schon bei der Erstabholung sportlich.

Und was machen die Borussen?

War ’ne schöne Saison. Warum um den Titel mitspielen, wenn man ab jetzt über den Trainer diskutieren kann.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Friedrich Küppersbusch
Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".