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TV-Krimi aus dem ErzgebirgeWie man in den Wald hineinruft, kommt die Försterin heraus

Gut gespielt und gut gemacht: der TV-Krimi „Eine verhängnisvolle Recherche“. Im Zentrum stehen eine tote Journalistin und eine Wasserstofffirma.

Karina Szabo (Lara Mondoki) und Robert Winkler(Kai Scheve) ermitteln in der Atelierscheune Foto: Uwe Frauendorf/ZDF

Neues Jahr? Ach was – das Leben besteht aus ermüdenden Wiederholungen, aus Traumata, die bewältigt scheinen und dann doch immer wieder hochploppen wie die Wirkstoffe oberflächlich verdauter psychedelischer Pilze. Eine Todesfahrt vor 20 Jahren, eine Liebe, die sich nicht hat auslieben dürfen, eine glänzende Karriere, die sich in Abhängigkeiten verstrickt, ein Wald, der Jahrhunderte wächst und in ein paar Tagen abgeholzt sein soll: das sind Motive der zwei Jahre alten Folge „Verhängnisvolle Recherche“ aus der Regionalkrimireihe „Erzgebirgskrimi“.

Hauptkommissar Robert Winkler (Kai Scheve) hört auf seiner Mailbox die Nachricht der Journalistin Kirsten Reichenbach ab (Fine Belger mit dramaturgisch bedingtem Kurzauftritt) – sie habe wichtige Informationen für ihn. Beim Rückruf muss er mit anhören, wie sie offensichtlich attackiert wird. Und als die gesammelte Beamtenschaft am ermittelten Tatort eintrifft, ist die Journalistin auch schon tot.

Sie hatte zwei Spuren verfolgt: Zum einen zu den eben dann doch nicht ganz so sauberen Plänen (wundert’s wen!?) der Firma Lothar Uhlig (schon immer wieder und immer gleich gut: Joachim Król), im idyllischen Erzgebirge einen Produktionsstandort für Wasserstofftechnologie aufzubauen; zum anderen zur Verwicklung der Chefentwicklerin eben dieser Firma in den Verkehrsunfall, der Winklers Freundin das Leben gekostet und ihm selbst dauerhaft psychisch einen mitgegeben hat.

Und eben, weil Vergangenes und Heutiges hier sich heftig überlappen, gilt Winkler irgendwann als befangen und steht dann sogar selbst unter Mordverdacht.

Die Sendung

„Erzgebirgskrimi“: „Verhängnisvolle Recherche“, Sa., 21.45 Uhr, ZDF

Sehr schön ermittelt gegen ihn zwischen selbstquälerischer Solidarität und nicht zu verbergendem sadistischem Vergnügen Kriminalkollege Jens Müller (Fabian Busch: auch so ein handwerklich feiner DDR-sozialisierter Schauspieler).

Die zwischen Genialität und Abgeschmacktheit changierende Zentralidee der ganzen Erzgebirgsreihe ist dabei, dass eine sweet sächselnde Försterin (Teresa Weißbach) nicht nur aufmerksam unter Bäumen wandelt, sondern aktiv mitermittelt, sozusagen als gute Seele und echte Volksvertreterin gegen die ja doch immer irgendwie hinterhältige (West-)Welt der Behörden und Großbetriebe.

Und auch Weißbach macht das wirklich handwerklich sehr gut, sodass man bei „Verhängnisvolle Recherche“ mal tatsächlich von einer Ensembleleistung ohne echten Ausreißer nach unten sprechen kann – nicht wenig für einen öffentlich-rechtlichen TV-Krimi; und eine Auszeichnung für Regisseur Jörg Lühdorff.

Im Zentrum steht dabei Kai Scheve mit seiner intensiven Verkörperung der Figur Robert Winkler, die Anlass für so manche Seminararbeit geben könnte: zu männlich übergriffigem bis toxischem Verhalten, das ständig Vertrauen einfordert, ohne solches zu verkörpern, geschweige denn einzuflößen; aber auch zu ostdeutschen Nachwendetraumatisierungen, als die man den für Winklers Freundin tödlichen Verkehrsunfall durchaus verstehen kann.

Dass das Ganze in einen so klassischen wie etwas albernen Showdown mündet, darf man den Autoren Leo P. Ard und Jörg Lühdorff dann vielleicht nicht zu übel nehmen. Dieses Land braucht Frieden, braucht Landschaftsaufnahmen aus der Vogelsperspektive und eigentlich auch einen Kommissar, der erkennte, dass Schnaps nicht die Lösung ist – auch nicht der aus dem Erzgebirge.

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