Amazon verdient mit Google Geld: Einer will alle, weil er alles hat
Amazon greift mit dem Lesegerät Kindle die Kerngeschäftsbereiche von Apple und Google an. Es geht um maximale Käuferkontrolle.
Als Amazon-Gründer Jeff Bezos am Donnerstag die neusten Modelle der E-Book-Reader und Tablets aus eigenem Hause vorstellte, hatte er eine bedenkenswerte Botschaft: „Leute wollen keine neuen Gadgets. Sie wollen Services“, erklärte der 48jährige Manager. Und deshalb sind auch die neusten Geräte Kindle-Reihe nach Lesart von Bezos nur in zweiter Linie neue Hardware, sondern vor allem gebündelte Dienstleistung aus dem Hause Amazon: E-Books, Filme, Musik zum Standardpreis.
In den Medien wird der neue Schritt als Angriff auf Apple und Google gewertet. Denn einerseits macht der Handelskonzern Apples iTunes Store auf der ganzen Breite Konkurrenz: Konnte man früher hier einfach so viel Musik und Filme beziehen wie anderswo, hat Amazon in dem Bereich kräftig aufgeholt. Zudem steckt in den Tablets mit dem Namen „Kindle Fire“, die im Oktober auch nach Deutschland kommen, Googles Betriebssystem Android – allerdings um diverse Google-Dienste reduziert.
Hatte sich Apple erst mit den zum Erscheinungszeitpunkt innovativen Produkten iPod, iPhone und iPad eine kritische Masse gesichert, die dem Konzern den Aufbau und Expansion seines lukrativen Mediengeschäfts ermöglichte, geht Amazon den umgekehrten Weg: Erst hat das Unternehmen mit seinen Handels-Angeboten den Markt erobert und setzt nun vermehrt Hardware ein, um die Kunden an sich zu binden.
Dabei kann Amazon seine Konkurrenten preislich unterbieten: Denn der eigentliche Umsatz kommt erst nach dem Kauf. Wer ein Kindle-Gerät kauft, kauft wahrscheinlich auch Kindle-E-Books, die exklusiv bei Amazon erscheinen. Mittlerweile verkauft der Konzern mehr digitale Bücher als solche auf Papier.
Personalisiertes Gerät
Wie Apple setzt Amazon auf ein umfassendes Kundenerlebnis: Kindle-Käufer müssen sich nicht lange mit Kaufoptionen und Versand herumärgern – mit dem Ein-Klick-Kauf landen die Bücher direkt auf dem personalisierten Gerät.
Amazon nähert sich immer mehr einem Buchclub statt einem Einzelhändler. So hat der Konzern schon vor vier Jahren Audible übernommen, den führenden Anbieter von digitalen Hörbüchern. Hier kann man zwar einzelne Bücher kaufen, vorherrschend ist aber ein Abo-Modell. Für knapp zehn Euro pro Monat bekommt man ein neues Hörbuch seiner Wahl – im Einzelkauf kosten diese oft deutlich mehr.
Der Haken: Der Kunde kann die Bücher nur auf vorher registrierten Geräten hören, eine Weitergabe ist ausgeschlossen. Wird ein Hörbuch woanders gefunden, droht Amazon mit dem Entzug der Mitgliedschaft auf Lebenszeit. Das Modell weitet Amazon auf immer mehr Bereiche aus: So hat das Unternehmen 2007 den Dienst „Amazon Prime“ eingeführt – der zunächst nur bevorzugte und schnellere Lieferung versprach – und nach und nach ausgebaut.
So bekommen US-Prime-Kunden neuerdings auch einen Videostream-Dienst und können sich auch ein Kindle-Buch pro Monat ausleihen – ohne Zusatzkosten. Das Kalkül ist klar: Statt sich bei jedem Kauf nach alternativen Angeboten umzusehen, sollen die Kunden schlichtweg alles bei Amazon kaufen. Und so umfasst das Angebot mittlerweile auch fast alles vom antiquarischen Buch bis hin zu frischen Lebensmitteln.
„Instant video“
Amazon begnügt sich nicht damit, die eigenen Tablets auf Android-Basis herauszubringen, auch auf anderen Android-Geräten verdient der Handelskonzern kräftig mit. Google bemüht sich zwar grade mit dem Dienst Google Play auch Musik und Filme zu verkaufen; Amazon ist mit seinen Diensten wie „Instant video“ schon längst eine etablierte Marke. Dabei macht sich Amazon die Offenheit des Android-Systems zu Nutze.
So hat Amazon Ende August in Deutschland einen eigenen Shop für Android-Programme geschaffen und macht Google Play damit im ureigenen Stammgeschäft Konkurrenz. Dabei lässt der Konzern deutlich die Muskeln spielen: Um möglichst viele Käufer zu ihrem Angebot zu ziehen, bietet Amazon jeden Tag eine andere kostenpflichtige App für die eigenen Kunden kostenfrei an. Warum, so sollen die Kunden denken, soll ich überhaupt noch bei Google nach Büchern oder Filmen suchen? Amazon hat ja alles.
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