Amazon-Serie „Feminist Noir Comedy“: Herrlich morbide Frauen

Frauen in Uniform am Rande des Nervenzusammenbruchs: Die überbordend zeitgenössische australische Amazon-Serie „Deadloch“ verblüfft und begeistert.

Zwei Polizistinnen stehen an einem Strand und machen Notizen

Kate Box als Dulcie Collins und Nina Oyama als Abby Matsuda Foto: Bradley Patrick/Amazon Studios

Irgendwas macht Australien richtig. Noch unter dem allgemeinen Wahrnehmungsradar segelnd, beeindrucken Shows, Serien und Filme aus Down Under zunehmend international. Stets am Rande des bürgerlich Akzeptierten, mäandern die Formate zwischen düsterer Erzählung, quatschiger Parodie und genderübergreifenden Themen und behandeln nebenbei sowohl alles, was popkulturell zur Zeit von Belang ist, als auch die drei größten Genüsse, die uns diese Welt anzubieten hat: Sex, Essen und Saufen.

Die unlängst hier besprochene Serie „Wellmania“ war das aktuellste Beispiel für diese unangepassten Produktionen. Dabei geht es oft feministisch und queer zu, weil überproportional viele Frauen, besonders aus der LGBTQ Bewegung, am Werk sind, als maßgebliche Regisseurinnen, Showrunnerinnen und Schauspielerinnen. Bereits 2015 trat z. B. das Autorinnenduo Kate McCartney und Kate McLennan mit ihrer Youtube-Satire über eine fiktive Kochsendung namens „The Katering Show“ erfolgreich auf den Plan und rollte das Feld Nahrungsmittelunverträglichkeit satirisch von hinten auf. Danach nahm es in „Get Krack!n“ billig produzierte Mornigshows aufs Korn.

Frauen aus der Film-und Fernsehbranche sind anscheinend gerade kraftvoll am Start, im Land der Didgeridoos, und wir können uns deshalb ab nächster Woche auf ein neues Highlight aus der Feder der beiden „Kates“ freuen – die Serie „Deadloch“ startet mit einer ersten Staffel am 2. 6. auf Amazon Prime. Gemeinsam haben sie die Serie konzipiert, die in erster Linie von Frauen getragen wird. In der Rolle der Eddie: die fantastische Madeleine Sami, eine neuseeländische Comedienne, deren irrwitzig komischer Film „The Breaker Upperers“ von 2018, bei dem sie Regie führte, das Drehbuch schrieb und die Hauptrolle spielte, auf Netflix zu sehen ist und trübselige Abende retten kann.

„Deadloch“ führt uns nach Tasmanien, wo sich in einem Kaff an der Küste namens, hihi, „Deadloch“, diverse Morde ereignen, die erheblichen Ermittlungsstress bei den zuständigen Polizistinnen auslösen. Den Toten fehlt jeweils die Zunge, was ein amüsantes Kontrastdetail ist, plappern die Menschen in der Ortschaft doch unentwegt. Senior Sergeant Dulcie Collins (Kate Box), Senior Investigator Eddie Redcliff (Madeline Sami) und Junior Constable Abby (Nina Oyama) werden mit den Fällen betraut, und bilden ein Trio der Extraklasse, weil ihre Charakterunterschiede zu einem permanenten Kompromisszwang führen.

Skurrile Nebenfiguren

Dulcie, eine eher zurückgenommene Person, gebeutelt durch ständigen Beziehungsstress mit ihrer Partnerin, muss insbesondere mit der überdrehten Eddie klarkommen, die alle Regeln ihres Berufsstandes torpediert. Die niedliche und ehrgeizige Abby bildet ein schüchternes, grundgutes Verbindungselement zwischen diesen beiden Hauptfiguren. Als klar wird, dass man es vermutlich mit einem Serienmörder zu tun hat, weil immer mehr Leichen auftauchen, wächst der Druck und allen ist das alljährlich stattfindende „Winterfeastival“, ein Kultur- und Schlemmer-Event, verleidet, auf das sich der Ort freut.

Neben dem Aufklärungsdruck spielen viele skurrile Nebenfiguren eine Rolle in dieser herrlich morbiden Serie, die die Macherinnen dem Genre „Feminist Noir Comedy“ zuordnen. Wer hatte welches Motiv, wie sind die einzelnen Familien miteinander verquickt – im Zuge der Ermittlungen lernen wir das halbe Dorf kennen. Manchmal fühlt man sich an das deutsche Erfolgsformat „Mord mit Aussicht“ erinnert, in dem es ja auch nicht vordergründig um die einzelnen Fälle, sondern eher um die Interaktion des Personals geht.

Auch „Deadloch“ lässt Raum für wohlige Schockmomente und lustiges Befindlichkeitsgedöns, allerdings in schludrigen Klamotten. Und es wird auffallend toll geschauspielert. Die Dialoge sind zum Schreien, die einzelnen Figuren fallen sich gegenseitig ins Wort, drehen gegebenenfalls durch, aber nie auf eine Reinhardt-Seminar-Art, sondern natürlich und locker. Es ist eine Wonne, ihnen dabei zuzuschauen und spannend ist „Deadloch“ obendrein!

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