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Amazon-Serie „Damaged Goods“Auf der Suche nach irgendwas

Die Serie „Damaged Goods“ erzählt von den Träumen und Krisen einer Gruppe Endzwanziger. Und setzt dabei auf altbekannte Narrative.

Hauptdarstellerin Sophie Passmann spielt Podcasterin Nola Foto: Marc Reimann/Amazon Prime

Die Sommermonate sind in der Regel nicht für ihre aufregenden Neuerscheinungen bekannt. Fernsehsender setzen auf Krimi-Wiederholungen oder alte Hollywoodfilme, Unterhaltungs- und Talkshows sind mit wenigen Ausnahmen in der Sommerpause. Und auch Strea­ming­an­bieter bringen ihre aufwändig produzierten Serien meist lieber in kälteren Monaten auf den Markt. Der Grund dafür ist naheliegend: Werden die Tage länger und die Temperaturen höher, gucken die Menschen weniger fern.

Man kann es also als einigermaßen gewagt bezeichnen, dass Amazon mitten im Hochsommer die Dramedy-Serie „Damaged Goods“ veröffentlicht. Doch außer an dem Veröffentlichungszeitpunkt ist an der Serie wenig gewagt. Die Endzwanziger Mads, Hennie, Tia, Hugo und Nola sind eine Clique, seit sie sich vor 15 Jahren bei der Gruppentherapie kennengelernt haben. Sie wohnen – wie es sich für Coming-of-Age-Serien gehört – in viel zu großen Wohnungen in München und sind alle auf der Suche nach irgendetwas.

Nach Erfolg, einer Beziehung, einer neuen Wohnung, einer Aufgabe, Sex oder dem Sinn des Lebens. Es sind alltagsnahe Geschichten, die mit neuen Aspekten und Perspektiven immer wieder erzählt werden können. Doch „Damaged Goods“ setzt stattdessen in den ersten drei Episoden, die der taz vorab zur Verfügung gestellt wurden, auf altbekannte Narrative und baut Figuren mit dem Holzhammer.

Mads (Tim Oliver Schultz) ist das Macho-Arschloch. Also so ein Arschloch, dass ihm nur ein dummer Spruch einfällt, als sein bester Freund ihm erzählt, dass er am Arbeitsplatz sexuell belästigt wurde. Und natürlich steht Mads dann irgendwann mit heruntergelassenen Hosen vor seinen Freund*innen. Er hat Chlamydien und muss dann all seinen Sexpartnerinnen, von denen er auch nicht mehr alle Namen kennt, darüber informieren. Natürlich deshalb, weil dieses Narrativ schon Dutzende Filme oder Serien vor „Damaged Goods“ genau so erzählt haben.

Fünf vor Julia Engelmann

Sein bester Freund Hugo (Antonije Stankovic) ist das genaue Gegenteil von ihm, er ist schwul, rücksichtsvoll und unsicher. Henni (Leonie Brill) ist die perfektionistische Kleinbürgerin und Tia (Zeyne Bozbay) die energische Künstlerin. Lediglich Nola (Sophie Passmann) bekommt einen Charakter, für den es bei der Beschreibung mehr Worte braucht.

Als unfreiwillig exmatrikulierte Studentin agiert Nola als Hobbypsychologin im Freun­d*in­nen­kreis, an ihrem neuen Arbeitsplatz, dem Baumarkt, und in ihrem Podcast „Damaged Goods“, in dem sie intime Details aus dem Leben von sich und ihren Freun­d*in­nen teilt – ohne dass die davon etwas wissen. Das ist stellenweise witzig, wenn sie beispielsweise Kun­d*in­nen nicht nur Farb-, sondern auch gleich Beziehungsratschläge im Baumarkt erteilt. Aber teilweise auch sehr peinlich.

Die Serie

„Damaged Goods“, acht Episoden auf Amazon Prime

Beispielsweise wenn sie mit der geklauten Sigmund-Freud-Büste spricht oder mit ihren Freun­d*in­nen am Küchentisch sitzt und Dinge sagt wie: „Das Schwierige in unserem Leben ist, dass man sich traut, einen Lebenstraum zu haben und es dann schafft, nicht durchzudrehen, wenn er nicht in Erfüllung geht. Dass ich keine Karriere mehr habe, ist der einfache Teil. Der schwierige Teil ist, dass es offensichtlich völlig normal ist, dass man keine Ahnung mehr hat, wer man ist, wenn man keine Karriere mehr hat.“ Fehlt nur der richtige Rhythmus und schon wäre man bei Julia Engelmann.

Spannend wird es immer dann, wenn die Serie aus den altbekannten Geschichten ausbricht. Etwa wenn Henni mit ihrer chronischen Erkrankung Endometriose konfrontiert wird oder Hugo versucht, sich von der gesellschaftlichen Vorstellung von homosexuellem Sex und der ständigen sexuellen Objektifizierung zu befreien.

Doch selbst wenn die Serie an den meisten Stellen durch die altbekannten Geschichten sehr erwartbar ist, guckt man sie am Ende doch gerne weg – und ist damit dann vielleicht genau das Richtige für die heißen Sommermonate.

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