: Altmodische Moderne
Cidre strömt in rauhen Mengen: Die Bretagne präsentiert sich in einer alten Posthalle mit Fischsuppe, Dudelsack und Algensalat ■ Von Annette Weise
Vor dem Eingang hängt eine Fahne. Sie ist gestreift und links oben in der Ecke, wo bei den Amerikanern die Sterne sind, sitzen vierzehn Hermeline. Sie trägt den Namen „Gwenn ha du“. Das ist bretonisch und bedeutet weiß und schwarz.
Wenn man die schmucklose alte Sortierhalle der Post am Stephansplatz betritt, sieht man eine Menschentraube vor einem Tisch stehen, der mit vielen kleinen Speisen bedeckt ist. Hier gibt es Muscheln in pikanter Sauce, Fischsuppe in Gläsern, Pasteten: Fischkonserven aus der Bretagne. Die Damen und Herren vom Magazin Feinschmecker stehen davor und testen. Cidre strömt in rauhen Mengen, sechs Tonnen soll der Händler davon haben. Hoffentlich hat sich der Übersetzer nicht verhört.
Einen Stand weiter sind bunte Konfitürengläser aufgebaut. 60 Prozent Frucht und 40 Prozent Zucker sollen drinsein, da erübrigen sich natürlich die Konservierungsmittel. In Tokio verkaufe man schon. „Wir möchten das altmodische bretonische Bild durch moderne Produkte aufpeppen“, sagt Jean Guy Le Floc'h, Präsident des Verbands „Création Bretagne“ in seiner Ansprache zur Eröffnung der Messe „Woche der Bretagne“. Die Bretagne sei nämlich auch wirtschaftlich interessant. Aber im „Zeitalter der Internationalisierung ist es auch wichtig, daß man die Tradition pflegt und weiterentwickelt“.
Deshalb ertönt nun wohl ohrenbetäubende Musik aus dem dudelsackähnlichen Instrument. Es heißt Biniou und ist tatsächlich der bretonische Dudelsack, begleitet von der Bonbarde, einer Art Oboe. Da wird klar: Hier sollen nicht nur Wirtschaftsgüter aus der Bretagne verkauft werden, sondern gleich das ganze Produkt Bretagne. Deswegen finden auch Vernissagen mit bretonischen KünstlerInnen, Konzerte und Lesungen statt.
„Ich bin hier, weil ich auch Kelte bin“, sagt ein walisischer Besucher. Wie das Walisische ist das Bretonische eine keltische Sprache. Das erklärt auch die Anwesenheit eines französisch-bretonischen Wörterbuchs auf dem Büchertisch. Noch weitere 20 Stände warten auf den Besuch von Interessierten, Kaufkräftigen oder Händlern, bestückt mit Antifaltencreme, Algensalat, Weiber-Pfirsich-Likör, Feingebäck, Kleidung oder Broschüren des Fremdenverkehrsamtes.
„Woche der Bretagne“ im Postamt/Sortierhalle am Stephansplatz, vom 23. bis 29. Oktober, täglich von 10 bis 19 Uhr.
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