Altersarmut in Deutschland: Wandern und kochen

Sozialministerin Andrea Nahles arbeitet an einem neuen Konzept zur Alterssicherung. Wie ist es um die Renten bestellt? Fünf Fragen und Antworten.

Zwei Menschen sitzen auf einer Bank

Noch ein Nebenjob oder nicht? Zwei Seniorinnen auf einer Bank Foto: dpa

31 Millionen „Renteninformationen“ werden jährlich an BürgerInnen über 27 Jahre verschickt, die mindestens fünf Jahre in die Rentenkasse eingezahlt haben. Sie informieren über die künftigen Rentenansprüche, die mitunter erschreckend niedrig sind. Wie verlässlich sind die Angaben?

Das Schreiben informiert über die Altersrente, wenn man den Durchschnittsbeitrag der letzten fünf Jahre einzahlt bis zum gesetzlichen Rentenalter. Das ist der dritte Wert im Kasten rechts. Es ist ein fiktiver Wert – denn einerseits ist der künftige Kaufkraftverlust dieser Summe nicht berücksichtigt, andererseits aber auch nicht die alljährlichen Rentensteigerungen, die noch kommen. Es ist zudem ein Bruttobetrag, von der Rente sind noch 10 Prozent Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen, bei höheren Renten Steuern. Wenn man aber davon ausgeht, dass die Renten zumindest in Höhe der Inflationsrate steigen werden, dann kann man von diesem Wert durchaus die Höhe der Altersvorsorge ableiten.

Was tun, wenn die zu erwartende Rente kaum über Hartz-IV-Niveau liegen wird?

Es kann durchaus der Fall sein, dass die zu erwartende Rente kaum über der Grundsicherung liegt. Dazu muss man aber sagen, dass das Niveau der Grundsicherung gar nicht so niedrig ist, im Vergleich zu vielen Minirenten. Es besteht aus dem Regelsatz von 404 Euro plus der Wohn- und Heizkosten, dass können schon mal insgesamt 800 Euro sein. Da braucht man eine Rente von 880 Euro, um auf dieses Niveau zu kommen. Die Deutsche Rentenversicherung rät übrigens jedem, dessen Einkommen im Alter unter 790 Euro im Monat liegt, den Anspruch auf ergänzende Grundsicherung überprüfen zu lassen.

Bedeutet das, dass künftig Millionen von KleinrentnerInnen aufstockende Grundsicherung beantragen werden?

Nein, denn bevor man Grundsicherung bekommt, muss jedes Einkommen und Vermögen, auch das des Partners, mit angerechnet werden. Laut dem neuen Alterssicherungsbericht macht das Einkommen aus der gesetzlichen Rente im Schnitt nur 63 Prozent der Alterseinkünfte aus. Die Leute haben Lebensversicherungen, berufsständische Versorgungen, Erspartes, Erbschaften, eine eigene Datsche, manche wohnen mit Kleinrenten trotzdem mietfrei im eigenen Häuschen. All das wird angerechnet, die Datsche müsste verkauft werden, zum Beispiel. Die Behörde würde auch fragen, ob die Wohnung angemessen ist oder nicht. Diese Bedürftigkeitsprüfung, die Anrechnung von Partnereinkommen und -vermögen, von Erbschaften und Immobilienbesitz sind ein wichtiger Grund, warum nur rund 3 Prozent der Älteren im Rentenalter Grundsicherung, meist ergänzende Grundsicherung, erhalten.

Aber die Altersarmut wird zunehmen, sagen Forschungsinstitute. Ist das Panikmache?

Der Umfang der Altersarmut ist umstritten. Der wissenschaftliche Beirat des Wirtschaftsministeriums kam in einem Gutachten vor vier Jahren zu dem Schluss, dass im Jahre 2030 nicht mal 6 Prozent der Älteren Grundsicherung erhalten werden. Diese Zahl wird allerdings angezweifelt, denn niemand weiß zum Beispiel, wie viel Menschen künftig arbeitslos sein oder vor der Regelaltersgrenze den Job aufgeben müssen, was die Rente noch mal empfindlich mindert. Es gibt Schätzungen, die von 10 Prozent oder mehr GrundsicherungsempfängerInnen unter den Älteren in Zukunft ausgehen.

Das bedeutet, der Lebensstandard wird für viele heute Jüngere im Alter sinken.

Das Alterseinkommen hängt mit vielen Lebensrisiken zusammen, eine Scheidung, gesundheitliche Probleme sind große Risiken, die oft unterschätzt werden in jüngeren Jahren. Dann die Mieten: Eine Wohnungsmodernisierung, nach der die Miete auf 500 Euro ansteigt, kann zum Beispiel die ganze Altersplanung für einen Single mit kleiner Rente zerstören. Andererseits könnte auch der Anteil der Jobber neben der Rente steigen. Etwa ein Achtel der 65- bis 70-Jährigen ist heute schon erwerbstätig. Wer tatsächlich Grundsicherung beantragen muss, für den oder die wird entscheidend sein, ob sich nicht doch irgendwo ein kleines Finanzpolster auf dem Konto einer Vertrauensperson parken lässt, um die schlimmste Armut abzufedern. Das bedeutet nicht automatisch Ausgrenzung. Frühere Rentnergenerationen waren an Niedrigkonsum gewöhnt, mit Kleingarten, Wanderreisen, Volkshochschule, Kirchenchor.

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