Alternatives 9-Euro-Ticket: Ein erfolgreicher Zug
Bereits nach drei Tagen hat der 9-Euro-Fonds 3.000 Mitglieder. Sollten sie ohne Fahrschein kontrolliert werden, zahlt der Fonds.

Es ist der erste Tag des neuen Monats und der erste Tag nach Auslaufen des 9-Euro-Tickets – zumindest des offiziellen. Denn zeitgleich mit dem Aus für den Nahverkehr-Rabatt hat eine Gruppe um Burkhardt eine aufsehenerregende Kampagne gestartet: den 9-Euro-Fonds.
Die Idee: Mitglieder des Fonds zahlen monatlich neun Euro ein. Werden sie im Nahverkehr ohne gültigen Fahrschein erwischt, übernimmt der Fonds das erhöhte Beförderungsentgelt. Das gilt bundesweit, allerdings nicht in den Regionalzügen der Deutschen Bahn, da dort fast immer kontrolliert wird. „Es ist auch ein Experiment, aber vor allem ist es eine klare Botschaft an die Politik, das 9-Euro-Ticket weiterzuführen“, sagt Mario Burkhardt.
Die Aktivist:innen wollen an diesem Nachmittag ihrer Kampagne einen symbolischen Startschuss verpassen, indem sie zusammen U-Bahn fahren. Ohne Ticket, versteht sich.
Überschwemmt von Presseanfragen
Eigentlich habe man geplant, eine Pressekonferenz in der Bahn abzuhalten, erzählt Burkhardt. Doch weil die Initiative mit Medienanfragen überhäuft wurde, seien viele Aktivist:innen aktuell mit Öffentlichkeitsarbeit beschäftigt. Die Startschussfahrt muss deshalb kleiner ausfallen.
Um kurz nach fünf stoßen doch noch einige Menschen dazu: etwa zehn Klima-Aktivist:innen der „Letzten Generation“ in orangefarbenen Warnwesten. Auch sie demonstrieren an diesem Tag gegen „den Irrsinn horrender Preise im Nah- und Fernverkehr“, wie es in einem Aufruf heißt.
Auf einem Pappschild fordern die Klimaaktivist:innen „Freie Fahrt für freie Bürger:innen“, auf einem anderen heißt es „Ich fahre ohne Ticket, denn die Regierung führt uns in die Katastrophe“.
Mit der U5 geht es wenig später zum Hauptbahnhof und wieder zurück. In den Bahnen ist nur wenig los. Die „Letzte Generation“-Aktivist:innen verteilen Veranstaltungsflyer und suchen das Gespräch mit den Fahrgästen, sie verlesen klimapolitische Forderungen und weisen auf den 9-Euro-Fonds hin. Später wollen sie noch weiter durch die Stadt fahren und protestieren.
Tausend neue Mitglieder pro Tag
Für Mario Burkhardt hingegen ist zurück am Bahnhof Unter den Linden erst mal Schluss. Obwohl die Start-Aktion recht klein ausgefallen ist, zeigt er sich zufrieden. Die Kampagne sei bislang ein voller Erfolg: Bis Redaktionsschluss am Freitagnachmittag hatte der Fonds etwa 3.000 Mitglieder, insgesamt 36.000 Euro wurden eingezahlt.
Diese Summe setzt sich zusammen aus den Mitgliedsbeiträgen und aus Spenden von Menschen, die selbst keinen Bedarf an der Versicherung haben – etwa weil sie ein Jobticket besitzen – aber die solidarische Aktion dennoch unterstützen wollen. Aktuell kämen etwa 1.000 neue Mitglieder pro Tag hinzu, erklärt Burkhardt. „Das ist ein Zeichen, dass der Bedarf am 9-Euro-Ticket in der Gesellschaft groß ist.“
Das zeigt auch die Aufmerksamkeit, die der Fonds in den wenigen Tagen seines Bestehens erzeugt hat: Fast 11.000 Menschen folgen der Kampagne auf Instagram, über 18.000 auf Twitter, viele Medien berichten. Zwar ist der 9-Euro-Fonds nur als Übergang gedacht, bis die Bundesregierung den Weg für eine Anschlusslösung freimacht. Die Debatte um die Fortführung des 9-Euro-Tickets dürfte er allerdings noch weiter befeuern.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alles zur Bundestagswahl
Linke holt mehrere Wahlkreise in Berlin
Sauerland als Wahlwerbung
Seine Heimat
Pragmatismus in der Krise
Fatalismus ist keine Option
Erstwähler:innen und Klimakrise
Worauf es für die Jugend bei der Bundestagswahl ankommt
Forscher über Einwanderungspolitik
„Migration gilt als Verliererthema“
Russlands Angriffskrieg in der Ukraine
„Wir sind nur kleine Leute“