piwik no script img

Alternative für FrachtKürzere Reise für Container

Die Umweltstiftung WWF empfiehlt in einer neuen Studie die Kooperation der drei großen norddeutschen Häfen. Elbe und Weser müssten dann nicht ausgebaggert werden

Ein Schiff ist gekommen - und es dürften gern mehr sein am JadeWeser-Port. Bild: dpa

Für Beatrice Claus geht an einer Arbeitsteilung kein Weg vorbei. „Eine ernsthafte Kooperation der norddeutschen Seehäfen ist eine ökologisch und ökonomisch tragfähige Alternative zur Vertiefung von Elbe und Weser“, sagt Claus, beim World Wide Fund for Nature (WWF) Referentin für Häfen. Nach einer aktuellen Studie, die die Umweltstiftung am Dienstag veröffentlichte, könnte eine Kooperation von Hamburg und Bremerhaven mit dem neuen Tiefwasserhafen Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven „den gesamten Hafenstandort Deutschland stärken“, sagt Claus.

Die 95 Seiten starke Expertise von Frank Ordemann vom Institut für Logistikmanagement an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Salzgitter empfiehlt, alle Transshipment-Container künftig im Jade-Weser-Port umzuschlagen. Diese werden mit kleineren Feederschiffen weiter transportiert nach Großbritannien, Norwegen und in alle Ostsee-Staaten. Durch die teilweise Entladung in Wilhelmshaven würden die Groß-Containerfrachter leichter und könnten Hamburg und Bremerhaven mit geringerem Tiefgang anlaufen. Deshalb seien die Ausbaggerungen von Weser und Elbe überflüssig, so sein Szenario.

Wilhelmshaven wäre damit erste Anlaufstelle der Asien- und Amerikaverkehre in Nordeuropa und auf dem Rückweg die letzte. Das ginge zu Lasten der Konkurrenzhäfen Rotterdam (Niederlande) und Antwerpen (Belgien) und würde „die Verkehre zugunsten der deutschen Seehäfen verändern“, sagt Ordemann.

Das für die Vertiefungen von Elbe und Weser vorgesehene Geld von etwa 750 Millionen Euro sollte, so die Empfehlung der Studie, in den Nord-Ostsee-Kanal investiert werden, der an einem massiven Sanierungsstau in Höhe von etwa 1,4 Milliarden Euro leidet. Dieser droht zu Umschlagsverlusten in allen norddeutschen Häfen zu führen.

Als Verbindung zwischen Nord- und Ostsee ist der Kanal die meistbefahrene künstliche Wasserstraße weltweit. Wenn Reeder indes auf den Umweg über das Skagerrak ausweichen würden, weil das immer schiffbar sei, könnte das auch Folgen für die Häfen von Hamburg, Bremerhaven und Wilhelmshaven haben. Dann führen die großen Frachter direkt von Rotterdam nach Kopenhagen, so die Befürchtung. Schleswig-Holstein fordert vom Bund bis 2025 jährliche Investitionen von 120 Millionen Euro, konkrete Zusagen aus Berlin gibt es bisher nicht.

Nach Einschätzung des WWF hätte eine Kooperation der drei großen norddeutschen Häfen etliche Vorteile. Der zurzeit fast brachliegende Jade-Weser-Port würde sinnvoll genutzt und die Bedeutung des Nord-Ostsee-Kanals für die weltweiten Warenströme gestärkt. Die Häfen in Hamburg und Bremerhaven hätten dann freie Kapazitäten für wachsende Containermengen im Warenverkehr mit dem Hinterland. Und die ökologisch sensiblen Flüsse Elbe und Weser würden nachhaltig geschützt. Denn die geplanten Vertiefungen „könnten die Flüsse zum Kippen bringen“, warnt Claus.

Ein Hamburger Hafenwirtschaftler, der nicht genannt werden möchte, hält das Szenario des WWF „für kompletten Unfug“. Keiner der Mega-Containerfrachter würde „für ein paar Feeder irgendwo einen Boxenstopp einlegen“, sagte er der taz. Das führe zu Zeitverlusten durch die Fahrtunterbrechung und zugleich zu höheren Belastungen durch das doppelt zu entrichtende Hafengeld: „Alle großen Containerfrachter machen so wenige Stopps wie möglich“, sagt er.

Auch bei den Containermengen handele es sich um „eine Milchmädchenrechnung“. Der Transshipment-Anteil in Hamburg lag 2012 bei etwa 3,5 Millionen Standardcontainern (TEU), in Bremerhaven bei rund 1,8 Millionen TEU. Der Jade-Weser-Port könne höchstens die Hälfte davon bewältigen – er ist auf eine Jahreskapazität von 2,7 Millionen TEU ausgelegt. Also könnten die Frachter gar nicht die Hälfte der Transshipment-Boxen in Wilhelmshaven abladen und die andere Hälfte in Hamburg oder Bremerhaven. Das Szenario sei, so der Hafenwirtschaftler, „jenseits jeder realistischen betriebswirtschaftlichen Betrachtung von großen Frachtschiffen“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

4 Kommentare

 / 
  • B
    Buchholz

    @christian: Weil es anonym ist, gelten die Ergebnisse nicht? Hamburg schlägt nun real 9-10 Mio. TEU um. Wilhelmshaven könnte theoretisch, wenn alles abgestimmt (was es natürlich nicht ist), maximal 2,7 Mio. umschlagen. Das sind Fakten, die jeder nachschlagen kann bzw. nieder bezweifelt. Ganz egal, ob man hier seinen echten Namen nennt oder nicht.

  • C
    christian

    Ich habe von Containerschifffahrt und -logistik keine Ahnung, denke aber, dass auch die größten Flüsse und das Leben in ihnen zwangsläufig ihr Grab als bloße Fahrtrinne finden werden, wenn man sie nach den betriebswirtschaftlichen Erfordernissen immer größerer Warentrensportschiffe zurichtet.

     

    Frau Claus vom WWF und Herr Ordemann als Gutachter kämpfen mit offenem Visier für lebendige Flüsse, also für eine Begrenzung der Flussvertiefungen und rechnen mögliche Alternativen (volks-)wirtschaftlich und (wirtschafts-)politisch durch. So gibt es endlich mal einen durchdachten und nachvollziehbaren Standpunkt gegen die Allianz der Ausbaggerer, und was macht der taz-Redakteur: Er "zitiert" einen anonymen "Besserwisser" (journalistisch ein Unding), der sich schon durch Rechenfehler ad absurdum führt (3,5+1,8=5,3/2=2,65 soll mehr sein als 2,7? oder habe ich was übersehen?) Darüber hinaus stellt er im Verbund mit seinem anonymen sog. Hafenwirtschaftler betriebswirtschaftliche Banalitäten gegen volkswirtschaftlich/politische Studienergebnisse, die ja gerade die grotesken, zerstörerischen Ergebnisse banaler betriebswirtschaftliche Motivationen durch eine politische (sic!) Steuerung von Wirtschaftsinteressen verhindern wollen.

     

    Ich verzichte hier mal auf das Zitat eines Zeitungsjournalisten, der nicht genannt werden möchte, und überlasse dem Leser das Denken.

  • JM
    Jochen Martin

    Zunächst mal ist anzumerken, dass die 7 in Fahrt befindlichen 15.000 TEU Schiffe der Maersk E-Klasse seit ihrer Indienststellung im Jahre 2006 Bremerhaven fest und einige davon sogar Häfen wie Göteborg und Danzig im Fahrplan haben. Dass die Reederei Maersk mit den vorhandenen Fahrwassertiefen auf der Außenweser gut zurecht kommt und auch keinen Hafen zum Leichtern benötigt, wird dadurch belegt,dass sie auch nach Indienstellung des Container Terminals Wilhelmshaven (CTW)nicht die Absicht hat, sowohl mit diesen Schiffen als auch mit den künftig in Fahrt gesetzten 18.000 TEU-Schiffen das tiefe Fahrwasser der Jade für sich zu nutzen.

    Das gleiche gilt für die Reederei CMA CGM, die ihre 16.000 TEU Schiffe trotz der geringeren Fahrwassertiefen auf der Schelde und der Elbe weiter nach Antwerpen und Hamburg dirigiert.

    Die Aussage des besagten "Hamburger Hafenwirtschaftlers", dass kein Mega-Containerfrachter wegen ein paar Containern einen Boxenstopp zum Leichtern in Wilhelmshaven einlegen würde, wird somit durch die gängige Praxis bestätigt.

    Vergallopiert hat er sich m.E. allerdings mit seiner Argumentation, dass die anfallenden Transshipment-Container die Umschlagkapazitäten des CTW übersteigen würden:

    Nicht alle Transshipment-Container werden mit Mega-Carriern transportiert. Außerdem werden auch künftig nur wenige Mega-Carrier mit einem Tiefgang von mehr als 13 Metern die Häfen in der Deutschen Bucht ansteuern, weil sie vorher schon sowohl Mittelmeer- als auch Nordrangehäfen angeluafen sind und hiesige Häfen nur teilbeladen anlaufen und wieder verlassen.

  • R
    Remsch

    Würde der Seeverkehr so durch Wilhelmshaven profitieren, hätte sie ihn längst angefahren. Tut sie aber nicht. Da könnte man ja mal überlegen, woran es liegen könnte. Haben Bremerhaven und Hamburg etwa andere Vorteile?

     

    Nicht vergessen: Nicht Hamburg und Bremerhaven sagen den Logistikunternehmen, daß sie zu ihnen kommen müssen. Sie tun es aus ganz bestimmten Gründen und nicht, weil sie (wer denn?) zwingt, der sie zwingen könnte, Wilhelmshaven anzufahren.

     

    Das Thema wird wohl nie aufhören.