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Alternative Wehrpflicht in FrankreichObligatorisch für alle

Präsident Macron will junge Männer und Frauen zu einem alternativen Dienst verpflichten. Wie diese Idee umgesetzt werden soll, weiß keiner.

Sport und Notfallübungen plant Macron für die Teenager Foto: reuters

Paris taz | Die Wiedereinführung einer Art Wehrpflicht für alle Jugendlichen war eines der Wahlversprechen in der Präsidentschaftskampagne von Emmanuel Macron. Der Vorschlag hatte vielleicht gerade darum so viel Zustimmung gefunden, weil niemand – und womöglich der jetzige Präsident selber auch nicht – wusste, wie diese allgemeine Dienstpflicht für die Jugend beider Geschlechter konkret aussehen und organisiert werden soll.

Jetzt soll Macron entscheiden, wie er diese Idee umsetzen will. Seit der Abschaffung der Wehrpflicht durch Präsident Jacques Chirac 1997 wünschten nur wenige in Frankreich deren Wiedereinführung im traditionellen Rahmen. Hingegen bedauerten viele, dass dem Staat nun ein wichtigstes soziales und pädagogisches Instrument fehle.

Als Rekruten kamen die jungen Männer in Kontakt zu anderen Regionen und Gesellschaftsschichten, zudem konnte die Hierarchie die Rekruten zu gewissen Regeln der Disziplin und Ordnung erziehen. Seither können die Angebote von freiwilligen sozialen Zivildiensteinsätzen diesen Mangel nur teilweise ersetzen.

Macron wollte einen obligatorischen Diebnst. Das heißt, dass pro Jahr zwischen 600.000 bis 800.000 Jungendliche beider Geschlechter mobilisiert würden. Er wollte diese Aufgabe den Militärs übertragen.

Keine Rekrutenschule

Deshalb war von einem relativ kurzen „militärischen“ verpflichtenden Dienst von einigen Wochen oder maximal drei Monaten die Rede. Niemand aber dachte ernsthaft an eine Rekrutenschule in einer Kaserne mit Drill und Waffenausbildung.

Ein Bericht des Generals Daniel Ménagouine schlägt dem Staatschef nun ebenfalls eher eine Form von Zivildienst mit Sport, Kursen in Erster Hilfe und Reaktionstrainings in Krisen- oder Katastrophenlagen sowie einen Nachhilfeunterricht in Staatsbürgerkunde vor.

Der verpflichtende Dienst soll für beide Geschlechter ab 16 Jahren gelten. Als Dauer schlägt der General einen Monat vor. Er möchte aber, dass sich die Jugendlichen aufgrund der Informationen zu einem effektiven Militärdienst oder aber anderen Formen des Engagements im Dienst der Nation und der Gesellschaft melden können.

Schon eine minimale Umsetzung dieser Pläne würde schätzungsweise drei Milliarden Euro pro Jahr kosten. Zudem stellt sich die Frage: Wo wären mehrere 10.000 Fachkräfte für die Ausbildung und Organisation zu finden?

Bei den Streitkräften, die ohnehin schon über eine ungenügende Finanzierung klagen, wächst die Befürchtung, dass für diesen Macron-Zivildienst Geld und Leute abgezogen würden. Der Präsident müsste ihnen also zusichern können, dass der neue verpflichtende Dienst ihre finanzielle und personellen Mittel keinesfalls schmälern werde.

Mehr ideologische Widerstände weckt allein schon die Vorstellung eines Dienstes für alle. Die Idee ist zudem, dass mit einem Aufenthalt in einer Art „Internat“ sich junge Französinnen und Franzosen aus allen Teilen des Landes kennenlernen. Für manche wäre das zum ersten Mal ein Leben fern der moralischen oder religiös motivierten Kontrolle durch das Elternhaus und unter dem exklusiven erzieherischen Einfluss der weltlichen Republik.

Patriotischer Staatsbürger

Diese soll Phänomenen wie der islamistischen Radikalisierung, Drogenabhängigkeit oder Jugendkriminalität entgegen wirken und generell Jugendliche, die während der Schulzeit nicht integriert und sozialisiert werden konnten, auf den rechten Weg hin zu einem patriotischen und gesetzestreuen Staatsbürger bringen.

Obwohl auch in der Regierung kaum Zweifel am Nutzen einer solchen Dienstpflicht bestehen, werden Fragen zur Realisierung laut. Verteidigungsministerin Florence Parly hatte angemerkt, vielleicht sei die Dienstpflicht doch nicht für alle obligatorisch. Sie wurde deswegen aber sofort von Präsident Macron zurecht gewiesen, der es nicht schätzt, dass man seine Pläne korrigiert, bevor sie offiziell vorliegen. Das soll im Mai der Fall sein.

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3 Kommentare

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  • "Diese soll Phänomenen wie der islamistischen Radikalisierung, Drogenabhängigkeit oder Jugendkriminalität entgegen wirken und generell Jugendliche, die während der Schulzeit nicht integriert und sozialisiert werden konnten, auf den rechten Weg hin zu einem patriotischen und gesetzestreuen Staatsbürger bringen."

     

    Ganz klar - ein Monat Bootcamp repariert ganz locker jeden Schaden den 16 Jahre bei sozial abgehängten Jugendlichen in einer gespaltenen Gesellschaft angerichtet haben.

  • Das ist ja schon länger in Frankreich im Gespräch, auch les Républicains und Leute der PS wie Arnaud Montebourg haben das schon 2016 gesagt.

     

    Ich halte das für nicht durchdacht und auch nicht für sinnvoll.

     

    Erstens, die praktische Umsetzung. Die französische Armee hat seit dem Ablauf der Einberufung zur Wehrpflicht die Truppenstärke von 577.000 Personen auf 260.000 reduziert. Das ist weniger als die Hälfte! Viele Kasernen sind geschlossen worden, Frankreich hat die Wehrpflicht vor 17 Jahren abgeschafft. Sie auch nur für einen Monat, praktisch als zivile Grundausbildung wiederzubeleben, kostet Unmengen an Ressourcen an Menschen und Materialien, die man wesentlich sinnvoller nützen könnte.

     

    Zweitens, der Sinn den man damit bezwecken möchte. Man versuch Fehlentwicklungen oder vermeintliche in der Zivilgesellschaft mit dem vermitteln angeblich militärischer Werte zu korrigieren. Das ist eine Erstens sehr nostalgische Idee, wie in Deutschland der Satz mit der Schule der Nation. Denn es handelt sich bei den gewünschten "Werten" keinesfalls um "militärische Werte" sondern um Allgemeingültige, die es in vielen gesellschaftlichen Bereichen gibt und auch dort vermittelt werden können. Zweitens wird man so die Probleme in anderen Bereichen, etwa der Bildung, einfach weiter ignorieren.

     

    Drittens, den Zusammenhang zwischen Innerer Sicherheit und Stärke der Armee der in Frankreich genannt wird. Seit inzwischen 3 Jahren läuft in Frankreich die Opération Sentinelle in der 10.000 Soldaten des Heeres Objektschutz betreiben, patroullieren und noch einiges mehr. Die Armee ist aber keine Hilfspolizei, dazu ist sie nicht ausgebildet, zu massiv ausgerüstet und auch nicht gedacht.

  • Klingt irgendwie nach Putin.