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Alte wollen ins Parlament

■ „SPD 60 plus“ klagt: Nur 16 Prozent in der Bürgerschaftsabgeordneten sind über 60

„Wir wollen nicht nur die Wasserträger der Politiker sein, das müssen die sich sachte abschminken“, sagte gestern Ernst Kerk, seines Zeichens Landesvorsitzender der SPD-Arbeitsgemeinschaft „60 plus“, „wir wollen selbst in die Parlamente“. Die anderen fünf älteren Herren und vier älteren Damen, die die Presse zusammengetrommelt hatten, nickten heftig. Wie, in die Parlamente? Aber da sitzen doch schon lauter Alte! Denkt man landläufig.

Doch das ist ein pures Vorurteil: Die Über-60-Jährigen machen zwar rund ein Viertel der Wahlberechtigten aus, doch im Bundestag sind nur 7 Prozent der Sitze und in den Landesparlamenten etwa 10 Prozent der Sitze von Älteren besetzt. In Bremen immerhin 16 Prozent. Gerade erst wieder ärgerten sich die SPD-Alten, daß ältere BewerberInnen für die Bürgerschaftswahl auf den hinteren Listenplätzen gelandet sind.

Das soll anders werden. Gestern beriet die Arbeitsgemeinschaft „60 plus“ Strategien des Mitmischens. Und übte auch gleich eine eher jugendtypische Aktionsform: Die SPD-SeniorInnen besprühten eine Großwerbewand am Utbremer Ring mit dem Slogan „Wir Älteren bestimmen den Wahlausgang“. Da ist was dran: Schließlich leben im Land Bremen 156.000 ältere Wähler. Und die Älteren sind die beständigsten WahlgängerInnen.

Das haben auch die anderen Parteien gemerkt: Mittlerweile hat auch die CDU eine flächendeckende Senioren-Umion auf die Beine gestellt. „Aber die CDU hält ihre Leute doch eher von der Politik ab“, sagt Ernst Kerk, „das ist doch ein Kaffeekränzchen.“ Bei der FDP ist man von einer flächendeckenden Organisation der Älteren noch weit entfernt, hat aber auf Bundesebene die Alten als Schwerpunkt-Thema bestimmt.

Eine Altenquote wollen die FunktionärInnen von „SPD 60“ plus übrigens nicht, wollen aber „wie einst die Frauen“ den langen Marsch durch die Institutionen antreten, sagt ein älterer Mann – und ist mit diesem Einwurf schon wieder einer Genossin zuvorgekommen, die sich bereits seit fünf Minuten meldet. Während die Männer gestern die große Strategie vorstellten, konnten nur die Frauen auf die Frage der Presse antworten, was den Alten denn in Bremen ganz konkret „stinkt“: Daß immer noch die Türspione zu hoch eingebaut werden, so daß man nicht sieht, ob sich einer am Boden versteckt, so eine Klage. Und Gisela Dess kämpft seit Jahren mit anderen um einen stufenlosen Zugang zum Bahnhof St. Magnus – schließlich gibt's dort zwei Altenheime. Und der UB Ost dringt auf die Einrichtung eines Sammeltaixs für Ältere. Drei Beispiele von vielen.

Ansonsten ist man durchaus zufrieden mit der Bremer Infrastruktur für Ältere: Immerhin habe die SPD-Bausenatorin für den Bau von 4.000 altengerchten Wohnungen in Bremen in dieser Legislaturperiode gesorgt. Auch gebe es hier ein so dichtes Netz von Altentagesstätten wie nirgendwo sonst. Allerdings seien Altentagesstätten und Dienstleistungszentren nicht gesetzlich vorgeschrieben und darum leicht Kürzungen unterworfen. Da befürchtet man Schlimmstes, sollten CDU und AfB an die Macht kommen. „Da müssen wir strikt und sehr genau aufpassen, daß uns die Sparkasse das nicht streicht“, sagte Elinor Jorek gestern kämpferisch.

cis

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