Alltagsauffälligkeiten von Golfern: Strafschlag im Sandkasten
Wer Golf spielt, tickt auch dann merkwürdig, wenn mal etwas hinfällt. Oder ein Kino-Ticket gelöst werden soll. Oder wenn Kinder im Sand spielen.
G olfer und Golferinnen sind manchmal, ehrlich gesagt: oft, sehr merkwürdige Wesen. Vergangenen Monat hatten wir hier schon seltsame Verhaltensweisen erlebt, wie diese Bällewegschläger ihr Spiel in den Lebensalltag umdenken: Müllsuche bei Wanderungen, Hüftübungen bei unpassenden Anlässen, Kuhwiesen-Fantasien, und es gibt noch viel mehr Seltsamkeiten.
Fällt dem Golfsüchtigen sein Schlüsselbund herunter und droht in einen Gully zu purzeln, ruft er panisch: „Sit!“ Das machen Golfer auf dem Platz reflexhaft, Profis wie Hobbyspieler, wenn ihr Ball zu weit zu springen oder sogar ins Aus zu rollen droht. Nach aller Lebenserfahrung reagieren indes weder Ball noch Schlüssel auf solche Anweisungen. Das lernen Golfer nicht.
Steht ein Golfer oder eine Golferin an einem Fluss und jemand fragt, wie weit es wohl bis zum anderen Ufer sei, antworten sie vielleicht: „Na, ich würd sagen, Eisen 6 reicht, voller Schwung, gut getroffen.“ Danach wundern sie sich, dass der andere sich wundert, weil er den Hinweis nicht verstanden hat (120 bis 150 Meter Entfernung, je nach Spielstärke).
An der Kinokasse wollen Golfer oder Golferin nicht Eintritt zahlen, sondern überraschen mit der Frage: „Wie viel Greenfee kostet der Film?“ Daheim will Vati neuerdings dreimal am Tag den Rasen schneiden und ernennt sich zum häuslichen Headgreenkeeper. Er wird, auch wenn das scheinbar ein Widerspruch ist, zugleich penibel darauf achten, dass niemand mehr Wildkraut an den Rändern jätet: Bewuchs herauszureißen sei „unerlaubte Erleichterung“, so stehe es in den Regeln.
Die Sache mit dem Besenstiel
Später drohen unkontrollierte Ausfälle. Hat ein schwerstabhängiger Golfer einen Besenstiel, einen Zeigestock oder in diesen Tagen den vor den Feiertagen geshoppten Weihnachtsbaum in der Hand, ist seine natürliche Reaktion: schwingen, schwingen, schwingen! Auch Gartenschläuche lösen sommers diesen Reflex aus, was zu überraschenden Wassergüssen auf Kuchenbüfett oder Mitmenschen führen kann.
Leicht verständlich, wenn in der nichtgolfenden Familie Unfrieden entsteht. Kleine Kinder sind besonders betroffen. Tobt ein Junior jubelnd Richtung Strand oder Sandkasten, ruft der Golfmaniac sofort: „Stop, Vorsicht. Nicht anfassen.“ So wie es in einem Sandbunker auf dem Golfplatz auch verboten ist, den Sand, außer mit den Füßen, vor dem Schlag zu berühren. Die Kinder werden sich zu Recht beschweren: „Papa ist aber komisch. Hat der Angst vor Sand?“ Und wenn Papa dann noch sagt „Wenn du den Sand anfasst, bekommst du einen Strafschlag“, werden die Kleinen panisch in Mamas Arme flüchten: „Papa will mich hauen!“
Das alles ist nicht eben förderlich für den häuslichen Frieden zwischen Golfer und dem nichtgolfenden Rest. Unverstanden und ausgegrenzt wird der Golfer noch häufiger auf den Golfplatz flüchten. Vereinsamung und seelische Abwärtsspiralen drohen. Wundert es, dass Golfer sozial isolierte Menschen werden können?
In der dritten und letzten Folge nächsten Monat werden die Auswüchse von Morbus Golf noch übler; Knast und Klapse drohen.
Aus Golfers Abc der Vorurteile, heute Y wie Yips: „Also, ich zittere vielleicht, aber ich habe nicht dieses Dings, nein, ich doch nicht …“ Wahr ist: Den Begriff Yips vermeiden Golfer, als wäre es ansteckender als Covids Omikron. Yips bezeichnet eine Art Unruhe und Zucken im letzten Moment des konzentrierten Puttens. Der Schlag misslingt – und der nächste aus lauter Angst vor Wiederholung noch mehr. Auslöser ist mutmaßlich ein Nervenzucken, angefeuert danach durch psychische Bängnis, es könne wieder passieren.
Auch Profis können Yips bekommen, es kann über Monate ihr ganzes Spiel ruinieren, wie vor langer Zeit auch einmal Bernhard Langer. Der ist mittlerweile im zitterfreien Alter von 64 und lässt dafür andere zittern – vor ihm: Langer gewann neulich zum 6. Mal die US-Champions Tour („Schwab Cup“) gegen dieses Jungvolk von Anfang fünfzig.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste