piwik no script img

Alltäglicher Online-StripWie nackt sind wir im Netz?

Mehr als 20 Millionen Deutsche haben ein Profil bei Facebook und fast jeder nutzt die Dienste von Google. Wie verletzlich werden wir dadurch? Ein Experiment.

Wie nackt machen uns Google oder Facebook? Bild: Bild: dapd

Die Gesellschaft, hat der ehemalige Google-Chef Eric Schmidt einmal gesagt, verstehe noch gar nicht, was sich gerade ganz grundlegend ändert. Was passieren wird, wenn alles von jedem über jeden anderen gewusst und ständig gespeichert werden kann. Wenn das alles immer verfügbar ist. Schmidt prophezeite deshalb, dass es irgendwann selbstverständlich sein wird, dass Jugendliche ihren Namen ändern, wenn sie erwachsen werden. Weil es dann ja so viel kompromittierende Geschichten über sie auf den Sozialnetzwerks-Seiten ihrer Freundinnen gebe.

Er sagte das vor zwei Jahren dem "Wall Street Journal". Und schob später nach, er habe bloß einen Witz gemacht.

Es ist aber eine völlig ernsthafte Frage, wahrscheinlich eine der bedeutsamsten in digitalen Zeiten: Wie verletzbar macht uns unsere Online-Identität? Wie angreifbar werden wir durch die Informationen, die wir und andere im Netz über uns verstreut haben? Und: Ist es möglich einen ganz gewöhnlichen Menschen detailliert zu porträtieren – nur anhand der Informationen, die man über Google und Facebook von ihm findet.

Bild: taz

Was für ein Porträt aus den gesammelten Informationen geworden ist, lesen Sie in der sonntaz vom 18./19. Februar. Darin auch ein Interview mit Johannes Gernert, dem Ingenieur, der genauso versucht hat Johannes Gernert, den Redakteur, mit einer Internetrecherche besser kennenzulernen – und viele weitere spannende Texte. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und für Fans und Freunde: facebook.com/sonntaz

Die sonntaz hat versucht, das in einem Experiment herauszufinden. sonntaz-Redakteur Johannes Gernert hat das Internet nach seinem Namensvetter durchkämmt: Johannes Gernert. Sie sind beide 31 Jahre alt. Der eine eben taz-Redakteur, der andere ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Ruhr-Universität-Bochum - also weder ein Prominenter, noch von Berufs wegen außergewöhnlich viel im Netz unterwegs.

Tiefe Spuren durch Andere

Die erste Spur, die Johannes Gernert, der Redakteur, von dem anderen Johannes Gernert findet, ist ein Foto unter den Google-Treffern. Es führt ihn auf die Seite des Fachbereichs an der Universität, auf der seine Arbeit dokumentiert ist - etwa zur Speicherung von CO2 oder Strom. Im Netz finden sich aber auch Berichte und Fotos von Auslandsaufenthalte des Ingenieurs. Colorado 2009, Beijing 2010, Kopenhagen 2011. Das Arbeitsleben lässt sich auch auf Xing verfolgen. So weit, so normal. Aber wie sieht es mit seinem Privatleben aus?

Facebook, wer-kennt-wen.de, StudiVZ? Nirgendwo findet sich ein Profil von diesem Johannes Gernert aus Bochum.

Empfohlener externer Inhalt

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen:

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Dann allerdings: ein Treffer bei stayfriends.de, wo sich Klassenkameradinnen aus Schulzeiten versammeln. Dort steht sogar, wie seine Frau heißt. Und weil die eine Facebook-Freundschaftsanfrage akzeptiert, lässt sich auch ermitteln, wann Johannes Gernert mit ihr in Paris war und wann sie Zeit mit ihrem Neffen verbracht haben. Der Rechercheur kann sich auch eine ganze Reihe Privatfotos ansehen, die etwas über seinen Namensvetter erzählen.

Heißt: Auch wenn jemand sparsam mit der Veröffentlichung privater Daten im Internet ist, hinterlässt er tiefe Spuren im Netz, falls sein enges Umfeld weniger vorsichtig agiert.

Vieles bleibt reproduzierbar

Das mache angreifbar, sagt der Informatiker Hendrik Speck, Professor an der Universität Kaiserslautern. "Jeder kann mit bestimmten Konflikten für sich selbst leben", stellt er fest. Habe man aber ein Kind, das freimütig im Netz agiere, sei das mit einem Mal ein völlig anderes Bedrohungsszenario. "Wie in jedem anständigen amerikanischen Thriller gibt es das Bedrohungsszenario. Man klopft den härtesten Typ weich, indem man droht, seine Frau werde gequält. Wenn Sie nicht mehr nur persönlich betroffen sind, dann verändern sich Grenzen", sagt Speck.

"Wir können das gesellschaftlich und politisch noch gar nicht zuordnen. Wir negieren es mehrheitlich", findet der Informatiker. "Aber selektiv wird solches Wissen gegen einzelne Personen eingesetzt, wenn es gerade wirtschaftlich oder sozial opportun ist. Jeder von uns hat seine kleinen Leichen im Keller. Das muss uns rein rational völlig klar sein. Bis jetzt sind wir immer davon ausgegangen, das die schon wieder verschwinden werden." Die digitalen Spuren führten dazu, dass vieles "reproduzierbar" bleibe, auffindbar.

"Wann ist der Schmerz so groß, dass wir um eine gesellschaftliche Auseinandersetzung nicht mehr herum kommen?", fragt Speck. Er ist nicht besonders zuversichtlich: "Dummerweise sind wir als Gesellschaft so konzipiert, dass wir erst reagieren, wenn der Evolutionsdruck so hoch ist, dass wir es nicht mehr ignorieren können."

In dem sonntaz-Experiment findet der Rechercheur über die Doktorarbeit einer der Schwestern von Johannes Gernert auch heraus, wie dessen Eltern heißen. Und irgendwann steht unser Autor bei Google Street View vor dem Haus der Eltern und schaut in den Garten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

16 Kommentare

 / 
  • MG
    Max Günther

    Das ist ja nichts neues, dass man in sozialen Netzwerken aufpassen muss...

    Jetzt machen wir das nur noch den kommenden Generationen klar und das Problem ist gelöst.

    Trotzdem sehr gutes Experiment!

  • AP
    an pekerst

    das ist sehr schön, pekerst, dass du den job der braven schwarmsardine übernehmen willst, die der (auf solche hinweise übrigens meist nicht reagierenden, wen interessieren schon tippfehler...) redaktion auf das eine oder andere korrekturbedürftige hinweisen möchtest, ich habe nämlich neulich gehört, es gab nicht viele bewerber für diesen schwarmsardinen-umsonstjob.

     

    trotzdem: wenn schon, dann richtig.

     

    "... auf der seine Arbeit dokumentiert ist - etwa zur Speicherung von CO2 oder Strom..." - wahrscheinlich doch eher "etwas", oder?

     

    nein, wahrscheinlich doch eher "etwa".

     

    den "Fotos von Auslandsaufenthalte"-typo könnten die aber echt so langsam mal schleifen.

     

    (wahnsinn... kennst du einen tischler, der frisch gebaute holzstühle verschickt, auch wenn sie noch pieken? krass, krass - )

  • P
    pekerst

    "Weil es dann ja so viel kompromittierende Geschichten über sie auf den Sozialnetzwerks-Seiten ihrer Freundinnen gebe." - Nicht zu "FreundInnen"?

    "... auf der seine Arbeit dokumentiert ist - etwa zur Speicherung von CO2 oder Strom..." - Wahrscheinlich doch eher "etwas", oder?

    "Fotos von Auslandsaufenthalte" - Rettet dem Dativ!

    "Klassenkameradinnen aus Schulzeiten" - Wieder nur die armen Frauen.

  • B
    Bitbändiger

    @T.S.:

     

    Ich nutze seit Jahren ecosia.org für die Suche und habe bisher alles gefunden, was auffindbar war. Ecosia arbeitet mit bing und yahoo zusammen; nähere informationen dortselbst.

  • TR
    tschüssi Rechtsstaat

    Es wäre viel getan, wenn geltende Rechtsauffassungen der obersten Gerichte zur Informationellen Selbstbestimmung einfach mal auf die Großen des www angewandt würden. Dan nämlich dürfte z.B. bei facebook niemand ein Foto einstellen, welches mich neben anderen zeigte, ohne meine schriftliche Einverständniserklärung vorzulegen.

    Was in den Printmedien relativ konsequent verfolgt wurde, nämlich z.B. das Recht am eigenen Bild, wird im www einfach komplett sehenden Auges zugelassen.

    Der Staat schafft sich just in diesem Augenblick selbst ab.

    Und niemanden stört es, weil alle so viel Spaß haben!

  • T
    T.S.

    Hallo TV:

     

    Bitte die Google-Alternativen auflisten, womit haben Sie gute Erfahrungen gemacht? Ich benutze Duck Duck Go und Ixquick, gibt es eine Webseite, die Alternativen zu Facebook und Google listet?

  • I
    Internet-Stalking

    Nicht einmal die Polizei geht Internet-Stalking nach.

  • S
    Steffi

    Die Frage ist dabei aber, was davon wirklich internetspezifisch ist. Name und Adresse der Eltern von jemandem hätte man auch vor 30 Jahren rausgefunden, wenn man es konsequent darauf angelegt hätte.

    Die meisten Leute standen schon immer ganz schlicht im Telefonbuch.

     

    Gut, vor Street View hätte man dan, hinfahren müssen, wenn man sich das Haus hätte angucken wollen. Aber ist das wirklich ein qualitativer Unterschied?

     

    Das Netz erleichtert und beschleunigt es, aber welche Infos wären vorher wirklcih überhaupt nicht zugänglich gewesen?

    Damit will ich nicht abstreiten, dass es eventuell neue Gefahren in dieser Richtung gibt. Aber wenn man sich schon daran macht, das zu untersuchen, sollte man auch die Frage im Auge behalten, was davon wirklcih mit den Eigenheiten des neuen Mediums zu tun hat.

  • K
    Klaus

    Hallo Herr mauricemorell.de, wer ein so gewöhnliches Leben führt und so sehr darauf achtet, möglichst glatt und total normal zu sein, wie Sie ( http://www.mehr-spass-im-schrank.de/shopping/kundenstimmen/maurice-morell.html ) und noch dazu derart exhibitionistisch veranlagt und gleichzeitig erfahrener PR-Profi ist, der kann wohl schlecht nachvollziehen, warum es viele Menschen gibt, die Wert darauf legen wollen oder müssen, diverse Dinge nicht überall öffentlich preiszugeben. Aber vielleicht versuchen Sie einmal zu verstehen, dass andere Menschen andere Bedürfnisse haben, als Sie selbst, und dass diese Menschen ebenso ein Recht darauf haben *nicht* öffentlich zu sein, so wie Sie das Recht haben, exzessiv öffentlich zu sein.

  • B
    Bitbändiger

    @Maurice Morell

     

    Ich kann darüber nur noch gähnen! "german angst" als "Argument" gegen alle, die nicht willig mit jeder Hammelherde mittrotten, sondern vor/beim Aufgreifen von Neuerungen noch überlegen, wozu es gut sein SOLL, wozu es gut IST, ob es wirklich gebraucht wird und wohin der Gebrauch führt. (Als langjähriger IT-Profi bin ich übrigens alles andere als "fortschrittsfeindlich", aber ich weiß, wovon ich rede.)

     

    Bezeichnend, dass das "Argument" in der Sprache daherkommt, deren Protagonisten als Gesellschaft zu den intellektuell und charakterlich Unbedarftesten auf diesem Globus zählen (was ich ihnen nicht vorwerfe; sie werden sehr effizient von einem bigotten, steinzeitkapitalistischen und wildwest-basierten System indoktriniert).

     

    Ich habe keine "Angst" vor facebook, wie ich auch keine Angst vor anderer organisierter Kriminalität habe. Aber ich vermeide es, anders als z.B. die taz und inzwischen fast alle Online-Medien, durch Platzieren oder Bedienen von "gefällt-mir"-Knöpfen die Akzeptanz und scheinbare Unentbehrlichkeit dieser Blutsauger zu befördern.

  • JG
    Jochen Gerdes

    Die c't hat im vergangenen Jahr eindrucksvoller geschildert, was über einen normalen Bürger im Internet zu finden ist. Meine Erfahrung: Es hilft enorm, seinen wahren Namen nur zu verraten, wenn er in der Sache notwendig ist. Wenn er es nicht ist, ist es anstößig, ihn zu erfragen. Dann schwindeln Eingeweihte aus Notwehr. Der gerechte Preis für die Datenraffkes: Serverfestplatten mit Fantasiedaten verstopft.

  • H
    Hansi

    Das Experiment deckt leider nur einen von zwei relevanten Aspkekt der "Online-Identitäten" ab, nämlich was nichtpriviligierte Dritte herausfinden können.

     

    Der zweite Aspekt ist, was privilegierte Dritte wissen, also was kann zum Beispiel ein ausländischer Geheimdienst erfahren, der Leute bei Facebook, Google oder einer Online-Bank ein Zubrot gewährt. Bzw. wenn es sich um NSA oder CIA oder DHS handelt, sowieso auf alle Informationen direkt zugreifen kann. Auch große Konzerne könnten eventuell ihre Finanzmittel so nutzen, daß sie an private Facebook-Inhalte z.B. eines Whistleblowers kommen.

  • MM
    Maurice Morell

    Ich verstehe das Problem nicht. Was kann Schlimmes passieren? Diese German Angst. Ich bin seit 95 online, ich bin erwachsen und wach und weiss, was ich tue. Und? Es passiert nichts Schlimmes.

  • T
    T.V.

    20 Millionen "nur". Dann gehör ich ja noch zur Mehrheit, überraschend.

     

    Der Beitrag erinnert mich an einige Überlegungen die ich mir mal gemacht hab zum Thema Telepathie. Wie es wohl wäre, wenn die plötzlich in aller Bewusstheit möglich wäre. Das wäre wenigstens schonungslos und eindeutig die Aufhebung dessen was viele als Intimsphäre bezeichnen, aber weil es dann tatsächlich alle betreffen würde auch wirklich reizvoll. Facebook und Konsorten sind da dann doch eher eiskaltes Kalkül und Wirtschafts-/Politikinteressen, z.B. wie im kürzlichen Artikel über Sarkozy's Internetpräsenz.

     

    Und wer noch Google nutzt ist wirklich zu faul sein Gehirn 30 Sekunden anzustrengen, die Alternativen sind oft besser und es gibt genug davon.

  • H
    herbert

    “Ich würde lieber live im Fernsehen von einem Paar kalter Hände eine Rektaluntersuchung bekommen als eine 'Facebook'-Seite zu haben!” George Clooney

    [gefällt mir]

  • F
    fufufu

    langweilige story