: Alles, was fliegt...
■ ...für alle, die alles, was fliegt, interessiert: Das DDR-Magazin "Fliegerrevue" wird 45 und pflegt heute die aerologische Westbindung
Sie suchen dringend eine „Cessna 177 Cardinal mit digitalem Radio“ für, sagen wir, 325.000 FF? Sie sind interessiert an einer „Kleinen Brücker, Maßstab 7/8, zu 98% fertiggestellt“ für 100.000 FF oder brauchen noch einen „Bell 206 Blll-Hubschrauber mit VIP- Ausstattung“ für 1.500.000 FF? Dann schauen Sie doch mal in die Fliegerrevue, jene Ex-DDR-Zeitschrift, die sich in den vergangenen 45 Jahren Monat für Monat der „Luft- und Raumfahrtgeschichte“ widmete und deshalb wohl inzwischen selbst dazugehört.
Freilich, Cessnas, Bells und sonstiges Flugwerk für den privaten Gebrauch hätt's und hatt's in d'r DDR nicht geben, die stehen erst im niegelnagelneuen „Euromarkt“ der Jubiläumsausgabe. Aber auch jenseits der Gebrauchtfluggeräte- Seiten erinnert nicht mehr viel an die guten alten deutschdemokratischen Zeiten, als die Fliegerrevue noch im volkseigenen Militärverlag vom Zentralvorstand der Gesellschaft für Sport und Technik (GST) herausgegeben wurde; wo ein Foto schon farbig war, wenn man den Bildhintergrund blau eingefärbt hatte; wo das Ende der DDR-Luftfahrtindustrie im Jahre 1962 verschleiert und die „Logik imperialistischer Denkweisen“ gegeißelt wurde; wo Neil Armstrongs großer Schritt für die Menschheit die Redaktion derart überraschte, daß sie das „bisher spektakulärste Weltraumunternehmen“ in der August-Ausgabe des Jahres 1969 ausschließlich mittels skeptisch- kritischer Stimmen aus der internationalen Presse zu kommentieren wußte; wo die Auflage durch die staatlich zugeteilte Druckpapiermenge limitiert wurde und „Heftpreis 1,50 M“ auf dem Titel stand. Und als die stets aufmerksame Zensurbehörde mal entdeckte, daß der Druckfehlerteufel ausgerechnet auf Seite 1 aus dem „antifaschistischen“ einen „faschistischen Widerstand“ gemacht hatte, mußte die Fliegerrevue-Redaktion in mehrtägiger Handarbeit die „makelbehaftete“ Seite aus mehreren Zehntausend Exemplaren herausreißen.
Heute kostet das Heft 6,70 DM, und statt Militärzensur wachen Leser wie Frank L. aus Leipzig darüber, daß das einsitzige Erdkampfflugzeug „Mansyu Ki-98“ heißen muß, und nicht „Ki-89“.
Apropos „89“: Auch die Fliegerrevue geriet in die Nach-Wende-Wirren. Ein „Glücksritter aus dem Westen“, an den sich der jetzige Chefredakteur Lutz Buchmann höchst ungern erinnert, hätte die traditionsreiche Fliegerrevue seinerzeit fast zum Absturz gebracht. Gerade mal 9.000 Exemplare hatte man zwischenzeitlich unter die Leute bringen können. Doch seit 1993 der FlugVerlag Berolina, so Buchmann, „um die Fliegerrevue herumgegründet worden“ war, befindet sich das Magazin mit inzwischen rund 30.000 verkauften Exemplaren und 50 Prozent Abonnenten wieder im Aufwind, ist aus der konkurrenzlosen eine konkurrenzfähige Fachzeitschrift geworden.
Zwar finden sich noch immer auch Artikel zur Luft- und Raumfahrt-(geschichte) in Osteuropa im Heft, doch tituliert Buchmann diese Themen mit Blick auf die westdeutsche Leserschaft lieber als „kleine Spezialität“, denn als „Themenschwerpunkt“. Ansonsten merkt man, daß Buchmann zuvor beim populärwissenschaftlichen Urania und nach der Wende beim allerpopulärwissenschaftlichsten PM (Peter Moosleitners interessantes Magazin) gearbeitet hat, denn im Gegensatz zu Aero- Kurier, Fliegermagazin, und wie sie sonst noch alle heißen, will Buchmanns Fliegerrevue „kein Fachidiotenwissen“ vermitteln. Da findet sich dann schon eher mal eine Reportage über den Mitflug in einer Kunstflugmaschine; wird erklärt, wie ein Flugzeugträger seine F-14 Tomcats in die Luft katapultiert und hernach wieder einfängt; gibt es das „Astro-Archiv“ (eine Auflistung aller im Vormonat gestarteten Raumflugkörper samt Perigäum und Apogäum) und immer wieder Bilder und „Dreiseitenrisse“ von allem, was fliegt, für alle, die alles, was fliegt, interessiert.
Von den ganz großen Tüftlern der Nasa bis hin zu den 1:72-Bastlern, die sich mit Modellbausätzen zufriedengeben (müssen). Für letztere sind die hinteren Heftseiten reserviert, die auch den fachfremden Leser in die wundersame Welt der Modellbausatz-Rezensionen entführen: „... Leider liegt dem Bausatz nur eine Montagevariante des Radargerätes bei“, heißt es da beispielsweise über den „Messerschmitt Bf 100G-4“-Kit, „für dessen Bau sowieso nur die Antennenträger verwendet werden sollten. Für die Antennen selbst kommen nur Eigenanfertigungen aus Draht oder, heißer Tip: Besenborsten in Frage.“ Zum japanischen „Messerschmitt Bf 109E-3-Bausatz indes spart man sich „unnötige Lobhudelei“, auch wenn „japanische Sturheit uns noch immer um belastete Reifen“ betrüge, derweil man mit der 72er Me 210 von Bilek „für einen moderaten Preis und mit geringfügigen Änderungen/ Verbesserungen einen interessanten Farbtupfer für seine Sammlung erhält“. Gleiches mag mithin auch für die Fliegerrevue gelten. Christoph Schultheis
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