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Alles schon längst gehört –betr.: „Mit Verlaub, Herr Außenminister, Sie sind ein Schwätzer!“, taz vom 4. 3. 99

[...] Ganz nüchtern gesehen besteht die Krise darin, daß Bündnis 90/Die Grünen zum ersten Mal im Bund in Regierungsverantwortung stehen und mitgefangen, mitgehangen mitregieren, ohne bisher nennenswerte Erfolge vorweisen zu können. Daß eine Partei, die ihre eigenen Ziele Stück für Stück für die Macht verkauft, für WählerInnen jeden Alters unattraktiv wird, scheint mir selbstverständlich zu sein.

Was aber empfehlen Müller & Co.? Die einzige WählerInnengruppe, auf die es ankomme, sei die Gruppe der JungwählerInnen (und wenn die grade eher seltsam drauf ist, dann muß sich die Partei dem halt anpassen). Diese WählerInnen würden sich allein für Handys, neue Wege in der Wirtschaftspolitik und ein paar mehr Ausbildungsplätzchen interessieren – machen wir also daraus die Neue Grüne Politik. Bei diesem Versuch, „die Menschen zu erreichen“, ignorieren die AutorInnen leider die Menschen, die die Grünen bereits erreicht haben (wie lange noch, fragt sich durchaus). Und sie versuchen gar nicht erst, einen Weg zu finden, wie sich grüne Programmtik weiterentwickeln läßt – behutsam, sinnvoll und zeitgemäß –, ohne gleich alle Werte umzuwerten. Es kann nicht darum gehen, die Grünen zur Machtbasis der heute unter 30jährigen auszubauen (die sind da eigentlich auch schon ganz gut vertreten) – es muß darum gehen, Wege zu finden, wie die Grünen eine Partei vieler Generationen und vieler Themen bleiben können. Eine Partei, die ihren Themenkern aus BürgerInnenrechten, Frauenrechten, Solidarität und Umweltschutz im 21. Jahrhundert beibehält – und aus dieser Richtung kommend beispielsweise die Frage der Privatheit im Cyberspace thematisieren kann, ohne ihre Wurzeln zu verlieren. Was auch heißt: radikal zu bleiben. Till Westermayer (24), Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen, Gundelfingen

[...] Alles längst schon gehört. Selbst die persönliche Attacke an Fischers Adresse ist abgekupfert von dessen Disput während der Bundestagsdebatte am 18. 10. 1984 mit dem Parlamentspräsidenten Richard Stücklen, als der CSU-Politiker von Fischer als „Arschloch“ (“Mit Verlaub, Herr Präsident ...“) tituliert wurde. Wer die Fischers und Trittins überflüssig machen möchte, muß dem Publikum schon ein wenig mehr bieten als nur sein Jungsein. Sonst könnte es schon bald heißen: Trau keiner/keinem Grünen unter dreißig! Uwe Tünnermann, Lemgo

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