: Alles sauber: Kehraus in der City
„Obdachlose sind heute nicht unser Thema“: City-Manager Henning Albers zeigt der Presse eine fast geleckte Innenstadt – wären da nicht noch ein paar Kaugummis ■ Von Peter Ahrens
Norbert Timm könnte berühmt werden. Als der Stadtreiniger Hamburgs, der Abfall in Mülleimer hineinfüllt, anstatt ihn zu entfernen. Auf Wunsch der Fotografen muss der arme Kerl genau das Gegenteil von dem tun, was eigentlich seine Arbeit ist. Es braucht schließlich irgendwelche bildlichen Belege dafür, dass es in Hamburg Müll gibt. Und beim Stadtrundgang mit City-Manager Henning Albers bedarf es schon solcher Tricks, um ein Abfallproblem in der Innenstadt zu konstruieren.
„Die City ist besser als ihr Ruf“, sagt Albers und spricht von falschen Pauschalurteilen. Wobei er vor allem an eine Umfrage in der Bild denkt, in der angeblich 80 Prozent der Hamburger ihren Unmut darüber geäußert hatten, „dass so viel Müll auf den Straßen herumliegt“. Der Rundgang soll auch dazu dienen, der Presse zu zeigen: „Diese Stadt ist sauber.“
Auf dem Rathausmarkt könnte man tatsächlich fast vom Boden essen. Die Stadtreinigung war vor zwei Stunden da – und man muss sich anstrengen, um ein oder zwei Papierfitzelchen zu finden, die den Eindruck eines geleckten Platzes trüben – nicht nur sauber, sondern rein. Dietrich Wulf, der Leiter der Stadtreinigung Mitte, macht darauf aufmerksam, dass man notfalls zweimal täglich Abfalleimer leert, „weil überquellende Papierkörbe einen negativen Eindruck machen“.
Trotzdem ist das kein Grund zur Entwarnung für das Tor zur Welt, denn es gibt ja Kaugummi. „Die Kaugummireinigung ist ein ganz schwieriges Thema“, verzieht Albers das Gesicht. Denn kaum hat man den Gummi irgendwo entfernt, klebt kurze Zeit später wieder eines. Und eine ständige Reinigung sei kostenmäßig „nicht vertretbar“. Das ist beinahe so ein drückendes Problem wie die Fugen zwischen den Pflastersteinen am Gerhart-Hauptmann-Platz. Die Ritzenreinigung sorgt für Sorgenfalten im Gesicht von Günter Krenz, Sprecher des „Ausschusses Sauberkeit und Sicherheit“ der Initiative City-Management. Auch die Frage, wer für die sauberen Ritzen zahlt – Stadt oder Privatleute – harrt durchaus noch der endgültigen Klärung.
Aber der richtig dicke Brocken wartet an der Ecke Mönckebergstraße/Spitalerstraße. Der „Brennpunkt“, wie Krenz das nennt: Der Burger-King am Mönckebergbrunnen. Fast Trash im Abfalleimer. Allerdings werden letztere – so streicht Albers heraus – „in lobenswerter Eigeninitiative“ vom Unternehmen selbst geleert. Die Fotografen wünschen ein Bild mit Albers und einigen Obdachlosen im Hintergrund, die in der Nähe des Burger King sitzen, aber der City-Manager wehrt ab: „Das ist heute nicht unser Thema.“ Zum Amtsantritt im September war Albers mit der Forderung „Obdachlose raus aus der City“ in die Schlagzeilen geraten und hatte darauf mächtig Gegenwind bekommen. Albers hielt sich damals für missverstanden.
Anschließend wird noch ein bisschen über die Graffitis am Als-teranlieger der Kopf geschüttelt, und dann geht es auch schon auf den Rückweg. Krenz sagt: „Gut, das mal alles gesehen zu haben.“ Kehraus.
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