: Alles neu bei der Transmediale
Die neue Künstlerische Leiterin Nora O Murchú will aus dem Festival ein Event fürs ganze Jahr machen
Von Tilman Baumgärtel
Die Transmediale ist seit ihrer Gründung 1988 als „VideoFilmFest“ zu einer Konstanten im Berliner Kulturkalender geworden. Ende Januar, Anfang Februar fand das Berliner Medienkunstfestival alljährlich kurz vor der Berlinale statt. Das ist vorbei. Die neue Künstlerische Leiterin Nora O Murchú, die im vergangenen Jahr den langjährigen Chef Kristoffer Gansing abgelöst hat, will aus dem Festival eine Reihe über das ganze Jahr machen. Statt fünf Tagen im Haus der Kulturen der Welt wird die Transmediale 2021 unter dem Motto „For Refusal“ an verschiedenen Orten stattfinden.
Im Januar soll es eine Ausstellung geben im Silent Green, wohin das Festivalbüro im August umgezogen ist. Im Sommer sollen eine Konferenz, ein Freilichtkino und eine Sommerschule folgen. Ein Grund: Corona und die Einschränkungen, die wohl noch einige Zeit bestehen bleiben. Ein anderer Grund: Kuratorin Nora O Murchú will die Pandemie zum Anlass nehmen, den ehedem hektischen Kunstbetrieb neu zu denken: „Während des Lockdowns hat sich gezeigt, dass es eine enorme Unausgewogenheit in Bezug darauf gibt, wer mitmachen kann und wer nicht, wer zu Wort kommt und wem sich diese Möglichkeit nicht bietet. Wir haben gesehen, wie eine prekäre Existenzform zum Burn-out führen kann. Darum versuchen wir, neue Strukturen zu schaffen, die Künstler in verschiedenen Stadien ihrer Entwicklung unterstützen“, sagt die Irin. Dazu gehören ein Residency-Programm und eine neue Internetplattform unter dem Namen „Almanac“, wo vom Festival in Auftrag gegebene künstlerische Beiträge veröffentlicht werden können.
O Murchú ist die erste Frau, welche die Transmediale leitet, die bis 2019 zur Kulturprojekte Berlin GmbH gehörte und nun ein eingetragener Verein ist. Die Förderung als „Leuchtturmprojekt“ durch die Bundeskulturstiftung bleibt auf gleichem Niveau bestehen. Als gelernte Informatikerin war O Murchús Weg zur Leiterin eines Medienkunstfestivals nicht vorgezeichnet. Sie studierte Informatik, weil sie Computerspiele programmieren wollte.
Für ihren Master schwenkte sie nach drei Jahren Berufspraxis um: Erst ins Fach Modedesign, dann in den Bereich Interaktionsgestalterin. Im Rahmen ihres Studiums war sie selbst 2007 zum ersten Mal bei der Transmediale, die damals noch in der Akademie der Künste stattfand – und die sie dreizehn Jahre nun selber leitet. „Das war wirklich sehr inspirierend“, erinnert sie sich und will bei zukünftigen Ausgaben „kritische Reflexion über die digitale Kultur“ möglich machen.
Im Rahmen ihrer Doktorarbeit organisierte sie in Irland das Festival Tweak, das sie anschließend drei Jahre leitete. Seit dieser Zeit stehen im Mittelpunkt ihrer Arbeit Hacking, Open Source und DIY – Themen, über die sie auch akademische Publikationen verfasst hat. Seither hat sie Ausstellungen und Veranstaltungen in Dublin und New York, für die Akademie Schloss Solitude in Stuttgart und das Zentrum für Kunst und Medien in Karlsruhe kuratiert.
Wenn sie ihr erstes Festival unter das Motto „For Refusal“ stellt, soll es allerdings nicht um Fundamentalwiderstand gehen, sagt O Murchú. „Wir wollen uns in diesem Jahr anschauen, was außerhalb des Status quo liegt und welche neuen Haltungen und Vorstellungen sich aus diesem ‚Refusal‘ ergeben können. Wir wollen über das nachdenken, was nicht vorgesehen ist und wie daraus neue Infrastrukturen und Beziehungen entstehen können.“
So verkopft wie bei den letzten Ausgaben der Transmediale, wo viele akademische Vorträge und endlose Podiumsdiskussionen wenig Kunst gegenüberstanden, soll es in Zukunft nicht mehr zugehen: „Ich möchte das Festival unterhaltsam gestalten“, sagt O Murchú. „Aber es ist für mich auch wichtig, dass wir kritisch bleiben und dass künstlerische Experiment möglich sind.“
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