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»Allenfalls Opfer einer bewaffneten Bande«

■ Mit einer bemerkenswerten Begründung lehnte das Zirndorfer Bundesamt den Asylantrag einer bosnischen Flüchtlingsfamilie ab/ Der Familienvater war in Bosnien-Herzegowina von Tschetniks in ein Waldstück verschleppt worden

Berlin. Laut Gesetz ist es leider so: Wer vor kriegerischen Auseinandersetzungen aus seiner Heimat flieht, hat keine Chance auf Anerkennung seines oder ihres Asylgesuches. Insofern war zu erwarten, daß der Asylantrag der bosnischen Familie H. vom zuständigen Zirndorfer Bundesamt für die Anerkennung politischer Flüchtlinge abgelehnt werden würde. Die Eltern mit ihren drei minderjährigen Kindern hatten angesichts der bedrohlich zunehmenden Spannungen in ihrer Heimat Bosnien-Herzegowina schon im September vergangenen Jahres ihre Koffer gepackt und waren zu Verwandten nach Berlin gereist. Bemerkenswert zynisch ist jedoch die Begründung der amtlichen Ablehnung, gegen die die Familie inzwischen vor dem Berliner Verwaltungsgericht Klage erhob.

Der Vater der Familie hatte in seinem Antrag geltend gemacht, er sei drei Tage vor seiner Flucht von Männern, die sich nicht vorstellten, verschleppt und in einem nahen Waldstück festgehalten worden. Die Männer, die lange Haare und Bärte wie die serbischen Tschetniks trugen, hätten ihn zwingen wollen, bei ihnen mitzukämpfen und auf die eigenen Landsleute zu schießen, ihm sei es jedoch gelungen, vor ihnen zu fliehen. Das Bundesamt formulierte in seinem Ablehnungsbescheid jedoch »erhebliche Zweifel, ob es sich tatsächlich so zugetragen hat«. Der Antragsteller habe »ungenaue Angaben« gemacht, es bleibe »unklar, um welche politische oder militärische Gruppierung es sich eigentlich gehandelt hat«. In den Augen der Zirndorfer Beamten hätten sich die Tschetniks wohl höflich mit Namen vorstellen müssen.

Der Mann, so formulierte der Beamte bewußt oder unbewußt zynisch und ungetrübt von jeder Sachkenntnis, sei »allenfalls Opfer eines kriminellen Übergriffs bewaffneter Banden geworden. Der Antragsteller und seine Familie hätten sich diesbezüglich jederzeit an staatliche Organe in Bosnien-Hercogowina wenden können, um Hilfe zu erhalten. Anhaltspunkte dafür, daß den Antragstellern staatliche Hilfe vor kriminellen Übergriffen nicht gewährt worden wäre, liegen nicht vor.«

Außerdem warf er der Familie vor, daß sie ihre Ausreise schon vor diesem Vorfall geplant und bei der Meldestelle Papiere für die Kinder beantragt habe. In Berlin lebende Geschwister des Vaters hätten ihn im August 1991 fast täglich angerufen und angesichts des sich abzeichnenden Krieges geradezu angefleht, das Land zu verlassen, schrieb der Mann nun an das Verwaltungsgericht. »Das Bundesamt scheint diesen unseren Gang zur Meldestelle irgendwie für heimtückisch zu halten«, so der Familienvater. »Es ist nicht illegitim oder unehrlich, wenn die Flucht aus der Heimat, an der man hängt, vorbereitet wird und dann aber bis zum letztmöglichen Moment hinausgezögert wird. Wir sind bestimmt nicht die einzigen Flüchtlinge, die ihre Flucht geplant und vorbereitet haben, nach dem Motto: Sicher ist sicher. Hätten wir bleiben können, hätten uns diese Vorbereitungen nicht geschadet.«

Schon im Sommer und Herbst vergangenen Jahres seien die serbischen Tschetniks in Bosnien-Herzegowina präsent gewesen und hätten, wie auch aus deutschen Zeitungsberichten abzulesen gewesen sei, wehrfähige Männer rekrutiert oder verschleppt und hingerichtet. »Die Begründung des Bundesamtes«, fügt er hinzu, »liest sich, als hätten wir böswillig eine Geschichte geplant und erfunden, als herrsche in Bosnien nicht einer der furchtbarsten Kriege dieses Jahrhunderts. Zum Zeitpunkt unserer Einreise gab es keinen Abschiebestopp für Menschen aus Bosnien-Herzegowina, so daß wir keine andere Wahl hatten, als Asyl zu beantragen.« Ute Scheub

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