Alleinerziehende Eltern: Nur die Hälfte vom Kinderbonus
Alleinerziehende sollen nur die Hälfte des "Kinderbonus" von 100 Euro bekommen. Die zweite Hälfte geht an den anderen Elternteil. Schuld ist das Steuerrecht.
BERLIN taz Das Versprechen der Regierung klang so einfach, so unbürokratisch. Und so gerecht. Eltern, die Kindergeld beziehen, erhalten im kommenden April einmalig einen sogenannten Kinderbonus in Höhe von 100 Euro. So sieht es das zweite Konjunkturpaket vor, um schnell die Nachfrage zu steigern. Rund elf Millionen Eltern werden davon profitieren. Eine Million Alleinerziehende hingegen haben nur Anspruch auf 50 Euro. Die zweite Hälfte geht an den anderen Elternteil.
Die Ursache hierfür liegt tief verborgen im "Gesetz zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland", das der Bundestag Mitte Februar verabschiedet hat. Und das besagt: Zwar bekommt ein alleinerziehender Elternteil von der Familienkasse den vollständigen Bonus, also 100 Euro. Aber der andere Elternteil hat das Recht, die Hälfte des Kinderbonus auf seine Unterhaltszahlungen anzurechnen. Er oder sie darf also einmalig 50 Euro weniger Unterhalt zahlen.
Ausgerechnet die meist schlecht verdienenden Alleinerziehenden profitieren wenig von der Konjunkturspritze. Der SPD-geführte Bundestagsausschuss für Familie und Jugend sah bereits vor der Verabschiedung des Gesetzes, dass dies nicht im Sinne des Erfinders sein kann, ebenso der CDU-geführte Rechtsausschuss. Beide Gremien stimmten deshalb gegen die Regelung. Doch federführend beim Stabilitätsgesetz waren nicht sie, sondern der Haushaltsausschuss. Und der hielt sich nicht mit vermeintlichen Details auf, als er das komplizierte Konjunkturpaket im Eilschritt durchs parlamentarische Verfahren peitschte. Teil des Konjunkturpakets II sind unter anderem die Abwrackprämie für alte Autos und Milliardenhilfen zur Sanierung von Schulen und Kindergärten.
Experten kritisieren die Folgen für Alleinerziehende. "Sozialpolitisch ist das mehr als fragwürdig", sagte Thomas Meysen vom Deutschen Institut für Jugendhilfe und Familienrecht. Dies sei "betroffenen Eltern nicht vermittelbar".
Mit dem Ergebnis unzufrieden ist auch Kerstin Griese (SPD), die Vorsitzende des Familienausschusses im Bundestag. Aber sie sieht sich gefangen im komplizierten Geflecht der Sozial- und Steuergesetzgebung: "Die Regelungen für den Kinderbonus folgen nun mal denen fürs Kindergeld", sagte Griese zur taz. "Mir bleibt nur, an die Zahlungspflichtigen zu appellieren, das gesamte Geld den Kindern zugute kommen zu lassen." Mütter und Väter sollten also nicht auf ihrem Recht bestehen, ihre Unterhaltszahlungen in einem Monat um 50 Euro zu kürzen.
Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) sieht das ähnlich: "Ich appelliere an alle getrennt lebenden Väter und Mütter, dieses Geschenk an die Kinder nicht kaputtzumachen", sagte von der Leyen.
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