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Alle Löschboote defektUnglückliche Verkettung

Als der Atomfrachter „Atlantic Cartier“ brannte, verhinderten die Löschboote der Feuerwehr eine Katastrophe. Jetzt kommt das Schwesterschiff und die Boote sind kaputt.

Brennender Atomfrachter "Atlantic Cartier": 2013 funktionierten die Löschboote noch einwandfrei. Bild: dpa

HAMBURG taz | Die Löschboote der Hamburger Feuerwehr werden die „Atlantic Companion“ am Freitagmorgen um sieben Uhr nicht mit Fontänen im Hafen begrüßen. Sie sind allesamt nicht einsatzbereit, wenn das Schwesterschiff der „Atlantic Cartier“, die am 1. Mai 2013 in Hamburg brannte, mit radioaktivem Müll an Bord am Unikai gegenüber der Hafencity anlegen wird.

Eines der mehr als 30 Jahre alten Löschboote ist zur Überholung in der Werft, bei den beiden anderen wurden, wie am Mittwoch bekannt wurde, Rostschäden an den Rohrleitungen zu den Wasserwerfern entdeckt. Diese beiden Schiffe können nicht zur Brandbekämpfung eingesetzt werden, solange die Leitungen nicht ausgetauscht sind, bestätigte ein Sprecher der Feuerwehr. Damit steht in Europas zweitgrößtem Seehafen derzeit kein Löschboot zur Verfügung. Zwar könnten im Bedarfsfall die Wasserwerfer eines Feuerwehrwagens auf die Boote montiert werden. Aber das sei „natürlich umständlich“, räumte der Sprecher ein.

Die „Atlantic Companion“ ist ein Schwesterschiff der „Atlantic Cartier“. Dieser Frachter geriet am 1. Mai vorigen Jahres am Unikai in Brand (siehe Kasten). Direkt gegenüber am anderen Elbufer, am Strandkai in der Hafencity, feierten zeitgleich mehrere Zehntausend Menschen die Eröffnung des 34. Evangelischen Kirchentags.

Erst zwei Wochen später kam dann raus, dass Hamburg seinerzeit nur knapp an einer Katastrophe vorbeigeschrammt war: An Bord des brennenden Frachters war nicht nur Gefahrgut, darunter 3,8 Tonnen Munition und 180 Tonnen explosives Ethanol. Zur Ladung gehörten auch radioaktive Stoffe – nämlich 8,9 Tonnen atomares Uranhexafluorid und elf Tonnen unbestrahlte Brennelemente. Nur der Feuerwehr, die Munition und Atomfracht vom brennenden Schiff barg, war es zu verdanken, dass der Frachter nicht explodierte. Alle drei Löschboote der Feuerwehr waren im Einsatz.

Brennender Frachter

Die "Atlantic Cartier", die "Atlantic Companion" und weitere drei Schwesterschiffe sind sogenannte Roll-on-Roll-off-Carrier. Diese fast 300 Meter langen Schiffe können 1.000 Autos und bis zu 2.140 Standardcontainer (TEU) transportieren.

Bei dem Brand am Abend des 1. Mai 2013 waren 296 Feuerwehrleute im Einsatz.

An Land waren 76 Feuerwehrfahrzeuge und ein Löschroboter im Einsatz.

Vom Wasser her wurden zwei Löschboote der Feuerwehr, drei als Löschboote umfunktionierte Hafenschlepper und drei Polizeiboote zum Kühlen des Schiffsrumpfes eingesetzt.

Feuerwehr-Löschboote sind multifunktional und können somit zur Löschwasserversorgung auf einem Schiff genutzt werden.

Die „Atlantic Companion“, die am Freitag erwartet wird, hat ebenfalls Uranhexafluorid geladen. Nach einem Bericht des Hamburger Anti-Atom-Büros war es beim Entladen des Schiffes im kanadischen Hafen Halifax am 13. März zu einem Zwischenfall gekommen. Vier Fässer mit angereichertem Uran waren aus mehreren Metern Höhe auf das Deck gestürzt. Zwar sei im Hafen kurzzeitig erhöhte Radioaktivität gemessen worden. Da an den Behältern aber keine Leckagen festgestellt wurden, sei der Ladevorgang nach kurzer Unterbrechung fortgesetzt worden und das Schiff nach Europa aufgebrochen, hieß es.

Der Brand auf der „Atlantic Cartier“ habe gezeigt, so der CDU-Abgeordnete Dennis Gladiator, „dass Löschboote unentbehrlich sind“. Deshalb müsse der SPD-Senat die bereits im vorigen Sommer geforderten neuen Löschboote „zur Gefahrenabwehr dringend bereitstellen“. So sieht das auch der grüne Abgeordnete Anjes Tjarks, der Innensenator Michael Neumann (SPD) Untätigkeit vorwirft. Neumann habe nach dem Brand im vergangenen Jahr bessere Sicherheitsmaßnamen zugesagt. „Geschehen ist bis heute nichts“, sagt Tjarks. Er reichte am Mittwoch eine Kleine Anfrage an den Senat ein, um Details des Unfalls an Bord der „Atlantic Companion“ vor drei Wochen in Kanada zu erfahren.

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4 Kommentare

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  • Schon komisch, das die Löschboote der Hamburger Feuerwehr nicht einsatzbereit sind, aber weiterhin auf diesen Booten Dienst geschoben wird.

  • Ähm, was darf ich mir unter "explosivem Äthanol" vorstellen ?

     

    Ethanol kann ich z.B. als Spiritus im Supermarkt um die Ecke kaufen, dazu brauchte ich bis dato nie eine Genehmigung nach dem Sprengstoffgesetz, auch nicht zur Anwendung des Zeugs, z.B. als Fensterreiniger.

    Bei mir zuhause im Schwarzwald kriegt man das Zeugs auch freiverkäuflich als gut schmeckendes Obstwässerle.

     

    Spass beiseite; weis der Redakteur hier, worüber er schreibt ?

    • @Maharishi:

      Wenn es um Hafenangelegenheiten geht, sind Gefühle manch einem offenbar wichtiger als präzise Fakten.

  • - Was ist "atomares Uranhexaflourid"? Wie der Name Uranhexaflourid schon sagt, ist da nichts atomar.

     

    - Wie verhindert die Feuerwehr durch Bergen der radioaktiven Ladung eine Explosion? Das waren ja keine Atombomben, das Zeug ist nicht explosiv.

     

    Natürlich ist es schlau, das radioaktive Material zu bergen, damit es sich im Falle einer Explosion nicht in der Gegend verteilt. Aber die Explosionsgefahr ging von der anderen Ladung aus. Bitte etwas mehr Genauigkeit.

     

    Man muss sich natürlich sowieso mal fragen, wer auf die Idee kommt, radioaktives Material zusammen mit Munition und brennbarem Ethanol (das übrigens auch nicht per se explosiv ist, bestenfalls als Gasgemisch mit Luft, das natürlich bei einem Brand entstehen kann) zu transportieren. Das ist ja Wahnsinn. Beides (also radioaktiv oder explosiv) ist einzeln schon gefährlich genug, gemeinsam ist das der Ruf nach einer Katastrophe (das Wort finde ich schon angemessen, wenn sich durch eine Munitonsexplosion radioaktives Material in Hamburg verteilt, na, das können Terroristen kaum besser schaffen).