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Alien und Cocktails in Dangast

■ Der Bremer Filmemacher Axel Meese stellte in der Schauburg sein bizarres Erstlingswerk „Jenseits der Rosen“ vor

Wie bespricht man als Filmkritiker ein völlig durchgeknalltes und unverständliches Werk? Ein Verriss ist unangemessen, denn es gibt kaum ein Publikum, dass man vor „Jenseits der Rosen“ warnen müsste. Eher hätte man gerne Axel Meese vor seinem eigenen Schaffensdrang gewarnt, aber das haben schon genug andere gemacht, wie Meese selbst stolz im Flyer zur Premiere verkündete: „Es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass nach ausgiebigen Diskussionen in meinem Freundeskreis jeder mich für verrückt erklärt hat, diese Projekt anzugehen.“ Immerhin scheint der Mann noch gute und verünftige Freunde zu haben.

In dem selben Text formuliert Meese auch sein Credo: „Dem Zuschauer wird jedoch im Gegensatz zu zahlreichen Mainstream-Streifen nicht dadurch Erleichterung verschafft, indem (sic!) am Ende das Gute siegt.“ Nun sollte man ja nicht unbedingt einem romantisch-wilden Künstler seine Grammatikfehler vorhalten, aber genauso wie diese Satz ist ja auch sein Film aufgebaut. Worum es darin geht? Schwierig zu sagen.

In einer Rahmenhandlung unterhält sich ein Alien (ganz in Gummi verpackt und mit elektronisch verzehrter Stimme) am Strand von Dangast mit einer schicken jungen Dame über eine alles umfassende Weltverschwörung. Beide trinken dazu Cocktails. Der Rest des Films ist in Gesänge mit Titeln wie „Opium“ oder „Virus“ eingeteilt, in denen zwei böse Männer Menschen herumschupsen, dabei Dantes „Göttliche Komödie“ zitieren und versuchen, Becksbierflaschen in alle möglichen Körperöffnungen ihre Opfer einzuführen.

Meese mag wohl den Prinzipien des narrativen Kinos abgeschworen haben, aber vor den Ekeleffekten des Trashkinos rümpft er nicht Nase. So spritzen viel Sperma, Blut und andere Körperflüssigkeiten, einige junge Damen entkleiden sich, und bei Sexszenen wird dann doch enttäuschend prüde abgeblendet. Richtig schockierend ist das alles nicht, denn filmisch bleibt Meese, trotz der avandgardistischen Attitüde, konventionell brav. Raffinierte Schnitte, Kameraeinstellungen oder originelle Regie-Ideen sucht man vergebens. Im Grunde hat Kameramann Jens Stumper immer nur seine Videokamera draufgehalten, und Meeses wichtigste Regieanweisung dazu war wohl: „Macht alles so unnatürlich wie möglich“.

Den vielen Laiendarstellern kann man ihre Kämpfe mit den hochartifiziellen Texten nicht vorwerfen, aber meistens sprechen eh Meese selber und der französische Performance-Künstler Costes. Dies bedeutet, dass Dantes Texte entweder von einem extrem schweren und kaum verständlichen französichen Akzent zerschunden werden oder aber durch einen ebenso schweren norddeutschen Zungenschlag schlicht lächerlich klingen.

Bei der Premiere in der Schauburg gab es so ein paar (vom Regisseur sicher nicht intendierte) Lacher, aber auch der unfreiwillge Humor rettete den Film nicht. Vielleicht funktioniert er ja als Selbsttherapie für Meese (“seit Jahren sind diese Dinge in meinem Kopf und müssen heraus“), aber als normaler Zuschauer ist man kurz fasziniert, dann ratlos und schließlich schnell genervt. Aber für irgend ein Publikum hat Meese den Film offensichtlich eh nicht gemacht. Höchstens für die Aliens vom Dangaster Strand. Wilfried Hippen

„Jenseits der Rosen“ läuft eventuell ab 4. November täglich zur Prime-Time in der Schauburg.

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