Algenfassade soll Klima schonen: Alles so schön grün hier
In Hamburg entsteht das erste Gebäude mit Algen in der Fassade. Sie sollen für energiesparendes Wohnen sorgen. Doch sie sind „klimapolitisch ohne Relevanz“.

Grüner Filter: Vattenfall lässt in Senftenberg erforschen, ob Algen seine Braunkohleabgase säubern können. Bild: dapd
BERLIN taz | Von außen wird, wie sollte es anders sein, tatsächlich alles grün. Zumindest sehen das die Planungen vor, denn gestern hat es zunächst einmal Richtfest gefeiert, das Algenhaus in Hamburg. Als „experimentell-innovatives Projekt“ feiert der Investor das Gebäude. Es soll das erste mit einer Fassade sein, in die ein Biomassekraftwerk quasi eingebaut ist.
Die Idee ist folgende: Die Fassaden zur Süd- und Südwestseite bestehen aus flachen, lang gezogenen Glascontainern. Drin wachsen Mikroalgen und produzieren Biomasse und Wärme. Letztere soll für Wasser und Heizung zur Verfügung stehen – oder sogar in das Fernwärmenetz eingespeist werden.
Gleichzeitig soll die Biomasse zu Biogas umgewandelt werden und über eine Brennstoffzelle Strom und Wärme liefern. Ein Passivhaus soll das Gebäude sein, also ohne Heizenergie von außen auskommen.
Manfred Braasch, Geschäftsführer des Umweltverbandes BUND in Hamburg, ist kritisch: Als Experiment habe das Ganze seine Berechtigung. „Allerdings muss die Praktikabilität der Bioreaktorfassade im Alltag noch unter Beweis gestellt werden“, sagt Braasch. Selbst Energieplushäuser, also solche, die mehr Energie produzieren, als die Bewohner verbrauchen, seien heute schon ohne Algen möglich.
Algen könnten CO vertilgen oder als Treibstoff dienen
Das Ökogebäude entsteht im Rahmen einer Reihe der Internationalen Bauaustellung (IBA). Diese Häuser sollen zeigen, was mit Baumaterialien machbar ist, die nicht statisch sind wie etwa Beton, sondern sich verändern. Neben Algen kommen so auch flexible Photovoltaikzellen zum Einsatz. Bis 2013 soll das Algenhaus mit seinen 15 Wohnungen bezugsfertig sein.
Es ist nicht das erste Mal, dass Algen für die Energiegewinnung genutzt werden. Sie sind als Rohstoff zur Gewinnung pflanzlichen Öls als Treibstoff im Gespräch, in der Nähe von Köln forschen Wissenschaftler in einer Pilotanlage daran, ob Algen CO2 auffressen und so die Energiegewinnung aus Braunkohle weniger klimaschädlich machen können. Ein ähnliches Projekt läuft in Hamburg.
Den CO2-mindernden Effekt durch die Algen hält BUND-Mann Baarsch bei dem Hamburger Haus für „klimapolitisch ohne Relevanz“. „Selbst wenn ab jetzt alle Neubauten mit Algenfassade erfolgen würden – die Menge, die Kraftwerke, Verkehr und sonstige Emittenten abgeben, ist deutlich höher.“ Vor allem beim Bestand müsse man sich über Einsparungen Gedanken machen.
Leser*innenkommentare
knut
Gast
die einschätzung als "klimapolitisch irrelevant" ist dumm und kurzsichtig. diese technik ist wesentlich weitsichtiger als z.b. photovoltaik. die produktion von biomasse hat den unschätzbaren vorteil, dass der verbrauch zeitlich von der erzeugung abgekoppelt ist. solarstrom kann bekanntlich nicht in nennenswerten mengen gespeichert werden, da die technik fehlt.
Anita
Gast
Mit der Argumentation: "ist eh vernachlaessigbar" koennte man auch jeder Wahl fern bleiben.
Viele kleine Schrittchen ergeben in der Summe irgendwann auch irgendwann einen Sprung.
mimi-kri
Gast
"Vor allem beim Bestand müsse man sich über Einsparungen Gedanken machen."
Herr Braasch, darüber machen sich schon viele Menschen Gedanken - vor Allem Politiker im Schulterschluss mit denjenigen, für die nachher über erhöhte Mieten die Gebäudesanierung mehr als lukrativ sein wird (wobei diejenigen oftmals ein und dieselben sind)! Im Wohnbereich können wir meistens selber bestimmen, wieviel Energie wir verbrauchen.
Energiesparen in der Öffentlichkeit ist angesagt - wozu brauchen wir z.B. hell erleuchtete Werbeflächen in der Stadt, die uns auch noch in der Nacht suggerieren, was wir alles kaufen sollen!?
Warum werden umweltfreundliche Radfahrer diskreditiert, anstatt den Autoverkehr zu dezimieren!?
Fangt endlich da an, wo es am Sinnvollsten ist, anstatt der Wirtschaft nach dem Mund zu reden!