Hitlers Aufstieg im Game vermeiden: Olaf Scholz, spielen Sie eigentlich „Social Democracy“?
Im Videospiel „Social Democracy“ muss man als SPD versuchen, gemeinsam mit den anderen Parteien die Wahl Hitlers zu vermeiden. Daraus können wir lernen.
![Große Demonstration auf der Straße, KPD-Mitglieder tragen ein Transparent mit der Botschaft: Vorwärts, im Geiste Lenins Große Demonstration auf der Straße, KPD-Mitglieder tragen ein Transparent mit der Botschaft: Vorwärts, im Geiste Lenins](https://taz.de/picture/7489743/14/17696998-1.jpeg)
G ame Over. So endet mein erster Versuch, die Nazis an der Machtergreifung zu hindern. In dem Spiel „Social Democracy“ bin ich die SPD in der Weimarer Republik und muss angesichts Arbeitslosigkeit und Antisemitismus die Demokratie retten. Red Autumn nennt sich die Person, die das kostenlose Spiel veröffentlicht hat. Mehr Infos gibt es nicht, nur dass sie als Hobby interaktive Fiktion entwickelt.
Erst mal muss ich klarstellen: Ich bin kein Geschichtsprofi. Lese ich mir die gesamte „Library“ im Spiel durch, um alles über die Weimarer Republik zu erfahren, und merke ich mir das auch noch? Ich denke nicht. Stattdessen projiziere ich das aktuelle politische Geschehen auf das damalige Parteiensystem. Don’t come at me.
Ich weiß, dass man das nicht gleichsetzen kann, aber ich will aus der Geschichte lernen. Also: Es gibt die Zentrumspartei, die macht was mit Kirche und konservativ. Die DDP und DVP waren damals die liberalen Parteien. Die KPD ist sehr links. NSDAP ist klar, die ist ganz rechts. Und die DNVP ist die weichgespülte NSDAP, also auch rechts.
Beim ersten Versuch bändle ich – also die SPD, die ich spiele – mit der KPD an. Das wäre ein Träumchen, einfach den Kapitalismus abzuschaffen. Nur je mehr ich versuche, der KPD zu gefallen, desto grummeliger werden die Zentrumspartei (konservativ), die DVP und die DDP (beide liberal). Meine Koalition scheitert und in der Opposition kann ich kaum etwas tun. Am Ende stimmt niemand außer mir und der KPD gegen Hitler – er wird Kanzler.
Es braucht Kompromisse
Zweiter Versuch. Ich lasse mich mehr auf die Zentrumsparteien ein. Ja, okay, dann senken wir halt die Steuern für Reiche. Dafür drücke ich bessere Arbeitsbedingungen für Frauen und Rechte für queere Menschen durch. Am Ende sind wieder alle sauer auf mich. Nach Hitlers Machtergreifung zettle ich einen Straßenkampf an. Bürgerkrieg bricht aus. Na, super.
Okay, letzter Versuch. Dieses Mal fahre ich volle Kompromissbereitschaft mit der Zentrumspartei. Oberste Priorität: die Wirtschaft retten. Währenddessen ermittle ich innerhalb der Polizei und des Innenministeriums und schmeiße Nazis aus Machtpositionen raus. Nach ein paar Jahren kann ich die SA verbieten und Demos gegen Antisemitismus organisieren. 1933 verstreicht und kein Hitler kommt an die Macht. Puh.
Seitdem ich 2015 AfDler:innen von Talkshow zu Talkshow habe springen sehen, habe ich Angst. Die CDU betont, sie halte die Brandmauer zur AfD, aber Friedrich Merz gibt mir Trust Issues. Wie gerne ich konservative Politik komplett wegcanceln würde, merke ich beim „Social Democracy“-Spielen.
Aber das hilft nicht. Progressive Politik bringt gar nichts, wenn dafür bei der nächsten Bundestagswahl die AfD Regierungsmacht bekommt. Stattdessen müssen Kompromisse her, mit denen wir die Brandmauer nach rechts halten können. Die Kompromisse werden uns als Linke wehtun. Aber sie sind der einzige Weg. Und irgendwann, wenn die Gefahr von rechts geschrumpft ist, kommen hoffentlich wieder bessere Zeiten.
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