Aktuelle Lage in Syrien: Schüsse, Proteste, ein brennender Weihnachtsbaum
Ein Video führt zu Protesten der alawitischen Community. Die neue Regierung warnt vor einer Destabilisierung durch Assads Verbündeten Iran.
Trotzdem gingen am Mittwoch in mehreren Städten hauptsächlich Alawit*innen auf die Straßen. Interreligiöse Spannungen hatte es bereits vor Weihnachten gegeben, als ein Weihnachtsbaum in einem christlichen Dorf in Flammen aufgegangen war. Laut Medienberichten wurden mehrere ausländische Kämpfer daraufhin verhaftet.
In der Stadt Homs nahmen die Proteste einen gewalttätigen Kurs, als alawitische Protestierende in einem sunnitischen Viertel sektiererische Parolen sangen. Schüsse waren zu hören, zunächst in der Luft, dann auch unter den Demonstrant*innen. Laut der syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) soll ein Mensch getötet worden sein. Einige Protestierende wurden verletzt, Chaos brach aus, Menschen rannten in Panik davon. Daraufhin durchsuchten Sicherheitskräfte die Stadt, Menschen wurden verhaftet und eine Ausgangssperre bis zum Morgen verhängt.
Gewalt brach ebenfalls in einem alawitischen Dorf in der Nähe von Tartus, an der syrischen Mittelmeerküste, aus. Dort sollte offenbar ein gesuchter Mann des alten Regimes festgenommen werden, der in Verbindung zum Foltergefängnis Sednaya steht. Bei der Verhaftung kam es zu Schießereien, die laut Innenministerium vierzehn Sicherheitskräften das Leben kosteten.
Alawit*innen unter Druck
Syriens neue Regierung, dominiert von der islamistischen Gruppe Hayat Tahrir al-Sham (HTS), betont seit ihrer Machtübernahme, alle Ethnien und Religionen in dem multikulturellen Land schützen zu wollen. Alawit*innen stehen unter großem Druck, da der ehemalige Machthaber Baschar al-Assad ihnen angehört. Sie werden daher als regimetreu angesehen. Assad inszenierte sich oft als Beschützer von Christ*innen und Alawit*innen. Diese sind seit dem Sturz des Assad-Regimes teils besorgt. Mit dem Schutz bewaffneter Kämpfer ist Weihnachten jedoch ohne weitere große Zwischenfälle verlaufen.
Die syrische Übergangsregierung steht vor großen Herausforderungen, um den Frieden im Land zu bewahren. Besonders angespannt sind die Beziehungen zu Iran, traditionell ein Unterstützer des Assad-Regimes. Syriens neuer Außenminister Asaad al-Shibani sagte jüngst, Iran müsse „den Willen des syrischen Volkes und die Sicherheit sowie Souveränität des Landes respektieren“ und warnte Teheran davor, „Chaos in Syrien zu stiften“. Irans Revolutionsführer Ayatollah Ali Chamenei hatte zuvor laut Medienberichten gesagt, Syrien sei unsicher geworden und die Jugend müsse „mit Überzeugung klare Kante zeigen gegenüber denen, die diese Unsicherheit über ihr Land gebracht haben“.
Seither kommt es zu teils gewalttätigen Protestaktionen. Auch in Damaskus waren am Mittwochabend bei alawitischen Protesten Schüsse zu hören. Nach der Demonstration wurden um den zentralen Umayyad-Platz schwerbewaffnete Milizionäre stationiert, die Lage war indes ruhig.
Um die Lage zu stabilisieren, kündigte HTS-Anführer Ahmed al-Sharaa, jetzt Übergangspräsident von Syrien, vor wenigen Tagen an, alle Milizen im Land entwaffnen zu wollen. „Wir werden keine Waffen im Land außerhalb staatlicher Kontrolle erlauben“, sagte er auf einer Pressekonferenz. Die Waffen sollen an die staatlichen Streitkräfte übergeben werden, die Kämpfer in Syriens neue Armee eintreten. Auch die Kurden im Nordosten müssten demzufolge ihre Waffen abgeben. Die Entscheidung wurde bei einem Treffen mit dem türkischen Außenminister Hakan Fidan verkündet.
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