Aktivistin im Hungerstreik: Nicht ohne ihren Sohn
Ihr Sohn ist als Regime-Kritiker im ägyptischen Gefängnis. Um seine Freilassung zu fordern, hat Laila Soueif seit 80 Tagen nichts gegessen.
![Portrait von Laila Soueif Portrait von Laila Soueif](https://taz.de/picture/7437062/14/Laila-Soueif-Hungerstreik-1.jpeg)
Weihnachtslieder, warme Stimmung, leuchtende Lichter und Plakate, die sagen „Free Alaa“. Laila Soueif veranstaltet dieses Jahr eine besondere Weihnachtszusammenkunft, vor der Downing Street 10, der offiziellen Residenz des britischen Premierministers. „Alles, was ich mir zu Weihnachten wünsche, ist, dass mein Sohn freikommt“, steht auf ihrem Plakat. Soueif protestiert dafür, dass sich die britische Regierung stärker dafür einsetzt, dass ihr Sohn Alaa Abd el-Fattah endlich aus dem Gefängnis in Ägypten kommt.
Alaa Abd el-Fattah ist Doppelstaatsbürger, er hat einen britischen und einen ägyptischen Pass. Bekannt wurde er als Blogger und Menschenrechtsaktivist. Eigentlich hatte er seine fünfjährige Haftstrafe schon abgesessen – am 29. September sollte er freikommen. Doch die Staatsanwaltschaft weigerte sich. Sie erkannte seine zweijährige Untersuchungshaft im Hochsicherheitsgefängnis nicht an. Er werde erst im Jahr 2027 freigelassen, hieß es.
Seit über 80 Tagen ist Alaas Mutter, Laila Soueif, im Hungerstreik. Jeden Morgen sitzt sie mindestens eine Stunde lang auf einem kleinen Stuhl vor dem Gebäude des britischen Außenministeriums in London. „Damit protestieren wir gegen das Verbrechen, das die ägyptischen Behörden an ihm begangen haben, und gegen die Komplizenschaft der britischen Behörden“, schrieb Soueif auf ihrer Facebook-Seite.
Die 68-Jährige Laila Soueif ist Mathematikprofessorin an der Universität Kairo. Noch bevor sie aufs College ging, mit 16 Jahren, wurde sie zur Menschenrechtsaktivistin. Das war 1972, da ging sie auf ihre erste Demo: gegen Israels Besetzung der Halbinsel Sinai – und vor allem für mehr Freiheit.
Die ganze Familie weggesperrt
Als ihre Eltern davon erfuhren, holten sie ihre Tochter nach Hause. Die Eltern, beide Professoren, wollten nur Akademiker, aber nicht politisch aktiv sein. Sie fürchteten Repression und Folter unter dem damaligen Präsidenten Gamal Abdel Nasser. Doch Soueif hat sich nicht den Mund verbieten lassen. Sie hat sich oft mit ihren Eltern gestritten und sich mit Machthabenden angelegt. Soueif wurde beides: Professorin und Menschenrechtsverteidigerin.
Im Jahr 2004 war sie Hauptgründerin der Bewegung 9. März, die sich für die politische Unabhängigkeit von Universitäten in Ägypten einsetzt. Die Gruppe organisiert Konferenzen und Proteste für die akademische Freiheit und hatte eine Rolle bei der Vorbereitung der Revolution von 2011 gespielt. „Es kann doch nicht sein, dass wir heute noch immer für oder gegen den gleichen Mist protestieren wie damals“, sagte sie der Menschenrechtsorganisation Amnesty International im Jahr 2018. Heute noch gehören Gefängnisbesuche zu ihrem Alltag.
Der taz sagte die Aktivistin im Jahr 2020 über die Inhaftierung von Verwandten: „So etwas hält dein Leben komplett an.“ Damals saßen auch ihre beiden Töchter im Gefängnis. Ihr mittlerweile verstorbener Ehemann wurde vom ägyptischen Staat in den 1980er Jahren weggesperrt – alle waren sie politische Gefangene aufgrund ihrer Kritik am Regime.
„Mein Leben spielt sich ab zwischen Besuchen, zwischen Essen ins Gefängnis bringen, ohne dass ich meine Kinder sehen kann, und meiner Anwesenheit bei Gerichtsprozessen.“ Von Aktivist*innen in Ägypten wird Soueif als „Mutter der Gefangenen“ bezeichnet. „Ich erinnere Menschen immer daran, dass es eine minimale Rolle gibt, die wir spielen können“, sagte sie der taz vor vier Jahren. „Wir sind nicht machtlos, wir sind die Spielverderber ihres Triumphs über die Revolution.
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