Aktivistin Pink Büchsenschütz: Protest in Pantone 214 C
Es begann mit Plakataktionen gegen Faschismus und Rechtsruck. Die Grafikdesigner*in Pink Büchsenschütz leistet auf vielen Ebenen Widerstand. Auch mit Musik.
Nicht nur die Farbe, sondern auch die Person; Pink Büchsenschütz. Und das ist auch ein bisschen das Ziel des Grafikdesigners, der genderfluid ist und zwischen männlichen und weiblichen Pronomen wechselt. An diesem Morgen lässt sie sich in Düsseldorf von Make-up-Artist Arthur Auinger schminken – mit pinkem Lidschatten, natürlich.
Danach geht es zu einem Videodreh nach Köln, wo Pink Love, Büchsenschütz’ Künstlername, auf Produzent TiAmo trifft. Ihr Track, die 90er Jahre Disco-Version von „Wehrt euch, leistet Widerstand“, soll ein Musikvideo inklusive pinker Botschaften mit Haltung bekommen. Heute, so beschreibt es der Grafikdesigner, ist ein besonders pinker Tag.
In diesem Jahr kurz vor der Bundestagswahl habe sich Pink Büchsenschütz mit der Gestaltung pinker Plakate selbst therapiert. „Das gibt mir so viel Power. Ich fühle mich nicht mehr ausgeliefert.“
„Angst macht Macht“, „Rechts zeitig stoppen“ und „Alarmstufe Braun“ sind nur einige Beispiele der Motive, die Pink gestaltet und auf Instagram gezeigt hat – wo sie unter dem Namen schreib.maschine mehr als 20 Millionen Views bekommen haben.
Dem Hass Liebe entgegensetzen
Auf der Internetseite plakatdemokrat.de hat er seine Werke zum freien Download zur Verfügung gestellt. Auf den Demos gegen den Rechtsruck und für die Demokratie, die vor der Wahl bundesweit stattfanden, waren die pinken Plakate überall zu sehen. Sie fallen auf: Durch die Farbe, die so schön knallt, sowie durch die Sprüche („keine Rolle rückMerz“) und weil die pinkfarbenen Botschaften dem vielen Hass und der konservativen Stimmung einiges an Liebe entgegensetzen: „Amore, Digga“ in Frakturschrift steht dem radikal liebevollen Satz auf pinkem Grund gegenüber und konterkariert, wofür rechte Parteien stehen.
„Amore, Digga“ ist vielleicht eine der Lieblingsbotschaften von Pink Büchsenschütz. Das Statement war der Whatsapp-Status einer Freundin, die aber zu bescheiden sei, um namentlich genannt zu werden. „Bei meinen Plakaten habe ich mich von anderen inspirieren lassen“, sagt Pink.
In Wuppertal, der Wahlheimat von Pink Büchsenschütz, waren bei der großen Demo am 8. März viele seiner Plakate zu sehen. Im Laufe des Wahlkampfs – er unterstützte den SPD-Abgeordneten Helge Lindh, der es auch wieder in den Bundestag geschafft hat – kam die Anfrage der Schauspielerin Denise M’Baye, ob sie eine pinke Botschaft als Fahne mit zur Berlinale nehmen dürfe. Die „vote love“-Fahne – natürlich Fraktur auf Pantone 214 C – ging durch die Medien, als Denise M’Baye sie auf dem roten Teppich schwenkte.
Aus dem Kontakt entstand eine tiefe Freundschaft. Die vielen Nachrichten wurden zu Telefongesprächen – und einem Tag im Bett: „Letzte Woche habe ich Denise zum ersten Mal getroffen – in ihrem Hotelzimmer in Köln. Wir haben es gemacht wie Yoko Ono und John Lennon und sind den ganzen Tag im Bett geblieben.“ Das Bed-in sei für beide eine wichtige Protestaktion gewesen. Inklusive pink lackierter Fingernägel: „Zusammen zu feiern, ist schon wichtig. Party ist Widerstand. Wellness ist Widerstand. Gute Laune ist Widerstand.“ Sich Freiräume zu schaffen, Spaß zu haben bei dem, was man tut – das ist antifaschistisch.
Die „vote love“-Fahne soll nun wandern, Pink Büchsenschütz und Denise M’Baye planen schon die nächsten Projekte: Etwa pinken Protest und Sensibilisierung für mentale Gesundheit zu verknüpfen oder einen Staffelstablauf mit der Pink Flag.
Im Kleinen Dinge verändern
Auch mit anderen Freund*innen verfolgt Pink Pläne: Es soll „Amore, Digga“-Pullover geben und die Plakate und Aufkleber, die in Wuppertal und Köln gut verkauft werden, sollen in weiteren Läden erhältlich sein. Ein Teil des Geldes soll dann in Projekte wie „Laut gegen Nazis“ fließen.
Auch anderweitig ist sie engagiert: Für die Kommunalwahl half Büchsenschütz einer 12. Klasse, die Website für den „Talomat“ (den Wahl-o-mat für Wuppertal) zu bauen. In der Kunsthalle Barmen in Wuppertal stellt Pink ihre Werke aus, außerdem ist sie Mitglied eines queeren Kurator*innenteams am K20. „Es geht mir dabei um die Haltung, nicht um den Fame“, sagt sie – glücklich darüber, wenn sie auch nur im Kleinen Dinge verändern kann.
Wie auch an diesem besonders pinken Tag, auf den nach dem Schminken der Videodreh folgt. Mit TiAmo, einem Designkollegen, der im richtigen Leben Daniel Angermann heißt, hat Pink Büchsenschütz ein „Rambozambo“-Plakat mit Friedrich Merz’ Halbglatze unter einem rosaroten Slip erstellt. Und heute treffen sich die beiden noch mit dem selbsternannten „Medienfuzzi“ Mac in Köln, der die Szenen zu dem Widerstandsvideo aufnehmen soll.
Pink Büchsenschütz ist vor dem Videodreh etwas nervös, befürchtet, dass das Video albern wirken könnte, wo es ihm doch um einen politischen Kern gehe. „Ich muss vertrauen“, sagt Pink, kurz bevor sie aus dem Auto steigt und die „vote love“-Fahne vom Rücksitz mitnimmt. Der Grafikdesigner erklärt später, dass es ihm noch vor einem Jahr nicht leichtfiel, sich in dem flauschigen rosa-blauen „Zauberpulli“ und geschminkt zu zeigen, dass es sich jetzt aber richtig anfühle.
„Pink provoziert.“ Auch in einem Musikvideo. Nachdem die ersten Szenen auf einem Supermarktplatz vor einem Hochhaus im Kasten sind, meldet sich der Filialleiter: „Das ist hier Privatgrundstück“, ruft er. Die Gruppe solle den Dreh beenden. Pink Büchsenschütz versucht freundlich und zuvorkommend, ihn umzustimmen. Doch der Mann lässt nicht mit sich reden. Die Reaktion fällt so gar nicht pink aus: Hausverbot. Also ziehen die drei Kreativen weiter, um in Köln-Vogelsang weiterzudrehen.
Ein langer Prozess
Diese Art der Konfrontation beschäftigt Pink Büchsenschütz nicht lange, sagt er. Als er einmal mit der Fahne am Kölner Neumarkt unterwegs war, sei ihm eine Gruppe Jugendlicher entgegengekommen: „Einer von ihnen sagte:,Wegen so was wähle ich die AfD.' Und weil ich manchmal nicht anders kann, habe ich gefragt:,Was stört dich denn?' Darauf kam dann nichts mehr. So ein Bullshit, ich tue ja niemandem was, wenn ich pinke Fingernägel trage.“
Kritik störe sie prinzipiell nicht. Aus der Kritik an den Plakaten und Posts könne Pink Büchsenschütz sogar einiges mitnehmen, denn daraus kann eine politische Diskussion erwachsen. Anders ist es, wenn es um ihre Person geht.
„Die Leute arbeiten sich an mir ab“, erklärt Büchsenschütz und erzählt von einem Instagram-Nutzer, der ihn „schwulen Wixer“ nannte und schrieb: „Hoffentlich kriegt die AfD noch mehr Zuspruch, du kleiner Hurensohn.“ Klickt man auf sein Profil, findet man einen Post, der ein Strichmännchen mit übergroßen männlichen Genitalen unter dem Slogan „HETERO PRIDE“ abbildet. Pink Büchsenschütz regt sich nur kurzzeitig auf. „Ich poste dazu dann mal ein Statement, und dann ist es aus meinem Kopf raus.“
Immer wieder klingt es durch: Für Büchsenschütz ist das Private politisch. „Sogar ein einzelner Farbton ist politisch“, schreibt Pink Tage nach dem Dreh, als sie bereits beim Standesamt war, um ihren Namen in Pink zu ändern („Sind ja bloß zwei Buchstaben anders“, sagt sie augenzwinkernd) und ihr Geschlecht austragen zu lassen. Ob dieser Schritt wirklich wichtig ist, habe Pink Büchsenschütz sich bereits gefragt – und die Antwort lautet eindeutig: „Es macht einen Unterschied, wie man heißt. Es ist ganz klar identitätsstiftend.“ Und auch die Tatsache, ob man sich einem Geschlecht zuordnet oder genderfluid ist. Dass die Bekannten und Freund*innen einen Moment länger brauchen, um sich an den neuen Namen zu gewöhnen, findet Pink völlig in Ordnung. Diesbezüglich habe sie einen „weichen Blick“ entwickelt, schließlich sei es vom „he“ und „she“ zum „me“ ein Prozess, für den sie selbst auch lange gebraucht habe.
Auf einem Foto steht er als Fünfjähriger in einem pinken T-Shirt unter einer rosa Kirschblüte. „Das war schon der kleine Pink, als ich noch nicht mit gesellschaftlichen Normen vorbelastet war.“ Nun lebt Pink Büchsenschütz nach dem Gefühl, das schon früher da war. „Meine Familie hat mich nie in eine Rolle gepresst. Wenn ich wollte, durfte ich als Kind Glitzerhosen tragen und mit Puppen spielen – und das war damals vielleicht schon politisch.“
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