Aktivisten-Duo Yes Men in Europa: Lernen von den Profis
Seit über 20 Jahren provozieren The Yes Men die ganz Großen aus Politik und Wirtschaft. Jetzt treten sie in Deutschland auf.
Der Klimawandel und die globalen Flüchtlingsbewegungen sind große Herausforderungen unserer Zeit. Aus den USA kommt jetzt die Lösung: „Refugreenergy“. Geflüchtete erzeugen grüne Energie – durch Fahrradfahren. Erstens hilft das gegen den Klimawandel, zweitens bekommen die Geflüchteten eine sinnvolle Aufgabe, die Integration wird erleichtert.
In Anlehnung an das deutsche Minijobmodell erhalten sie für ihren „pico-job“ 1,60 Euro pro Tag, 24 Stunden legalen Aufenthaltsstatus gibt es obendrauf. Eine klassische Win-win-Situation also, so verkündeten es Steven Fibster Fine und Robert Brattice Kravlock, Vertreter des US-Umweltministeriums, gerade in Bonn: Am vergangenen Sonntag traten sie dort auf, bei einer vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik veranstalteten Konferenz im Vorfeld des Klimagipfels.
Dass die zwei Herren in den schlecht sitzenden Anzügen nicht wirklich vom amerikanischen Umweltministerium geschickt wurden – gibt es so eins überhaupt? – und diese „Refugreenergy“ ja wohl nur ein Scherz sein kann: Die Konferenzteilnehmer merkten es ziemlich schnell. Das Ziel der Aktion wurde trotzdem erreicht: mehr mediale Aufmerksamkeit für den oft verkannten Zusammenhang zwischen Klimawandel und „Flüchtlingskrise“.
Hinter der Bonner Aktion stecken die Yes Men. Seit mehr als 20 Jahren sind Jacques Servin und Igor Vamos unter diesem Namen unterwegs, um mit abstrusen Aktionen auf die Folgen einer vom freien Markt und von großen Wirtschaftsunternehmen kontrollierten Welt aufmerksam zu machen. Zurzeit ist das Aktivistenduo in Europa auf Tour. Am heutigen Freitag treten sie in Berlin auf, am Dienstag gaben sie in Hamburg einen Workshop und stellten ihre Arbeit dem Publikum der Kulturfabrik Kampnagel vor.
Diese Arbeit nennen Servin und Vamos „Laughtivism“. Es geht darum, Menschen zum Lachen zu bringen, um sie auf bestimmte Problematiken aufmerksam zu machen. Etwa 30 Männer und Frauen, auch MitarbeiterInnen von Nichtregierungsorganisationen, saßen am Dienstagnachmittag da und wollten wissen, wie das geht, mit dem spaßigen und zugleich wirkungsvollen Aktionismus. Es gehe vor allem darum, neue Wege zu gehen, lernten sie – geht nicht, gibt’s nicht, sozusagen.
„You have to pretend it’s okay“, so die Yes Men. Aber: Ein geschmackloses Projekt brauche immer eine gute Begründung. Überhaupt Geschmacklosigkeit: Die wird den Yes Men immer wieder vorgeworfen. Beispielsweise, als sie sich in einem BBC-Interview als Sprecher von Dow Chemical ausgaben. Dieser US-Konzern wird für eine der größten Chemiekatastrophen in Indien verantwortlich gemacht, hat aber nie die volle Verantwortung dafür übernommen.
Und nun versprach ein vermeintlicher Konzernsprecher 12 Milliarden Dollar Entschädigung für die Opfer. Das mediale Aufsehen war riesig, der Börsenwert des Unternehmens fiel um zwei Milliarden Dollar. Als die beiden Aktivisten im Anschluss nach Indien reisten, waren die Betroffenen froh über die Aufmerksamkeit für ihre Probleme. Beleidigt fühlten sie sich nicht.
Eine Diskussion um die gezielte Verbreitung von Unwahrheiten kam auch in Hamburg auf: Werden wir nicht schon genug mit Fake News überschwemmt? Es gebe gute Lügen, sagten Servin und Vamos, und schlechte. Schlechte Lügen sollen niemals ans Licht kommen, die Menschen sollen sie glauben. Die Yes Men dagegen arbeiten nach eigenem Verständnis mit guten Lügen. Und deren Ergebnis „ist immer die Wahrheit“, sagte Vamos: Die Enthüllung der schlimmen Zustände dahinter sei der bedeutende Punkt.
Satire spielt bei den Yes Men eine große Rolle: Während der Hochphase der Occupy-Wall-Street-Bewegung demonstrierten sie als Börsenmakler verkleidet und skandierten: „Wall Street is our street!“ Sie gaben sie sich auch schon als Vertreter des US-Ölkonzerns Exxon-Mobil aus und stellten eine angebliche Methode vor, Öl zu gewinnen – aus Leichnamen.
Sie schaffen aber auch realistischere Utopien: In der Woche, nachdem Barack Obama zum ersten Mal zum US-Präsidenten gewählt worden war, verteilten sie in New York 70.000 Exemplare einer in die Zukunft datierten New York Times. Die Nachrichten waren allesamt Wunschvorstellungen, das Ende des Irak-Kriegs beispielsweise. Die Botschaft: „Es reicht nicht, jemanden zum Präsidenten zu wählen“, sagt Servin. „Man muss ihn dazu zwingen, der Präsident zu sein, den man gerne hätte.“
In ihrer Heimat sind die Yes Men dennoch an die Grenzen ihrer Aktionskunst gelangt, das sagen sie zumindest selbst. Dort könne man zurzeit nichts erreichen: „Wir können nichts tun, um Trump noch lächerlicher zu machen.“ Außerdem sei das Ziel immer, die Medien auf Dinge aufmerksam zu machen. Und bezüglich der amerikanischen Politik machten die JournalistInnen gerade einen guten Job.
Mit großen Rechtsstreits müssen sich die Yes Men überraschend selten herumschlagen: Ein einziges Mal sind sie verklagt worden. Nach vier Jahren wurde die Sache aber kurz vor Prozessbeginn fallen gelassen – zur Enttäuschung von Servin und Vamos, die sich auf einen skurrilen Prozess gefreut hatten. Gleichwohl können sie sich der Aufmerksamkeit ihrer Gegner gewiss sein: Wikileaks hat offengelegt, dass Dow Chemical Detektive auf die Yes Men angesetzt hatte.
Drei Filme haben die Yes Men veröffentlicht. Ihr letzter, „Die Yes Men – Jetzt wird’s persönlich“, dokumentiert auch gescheiterte Aktionen. „Es war eine politische Entscheidung, auch die Misserfolge zu zeigen“, sagte Servin 2015 im Gespräch mit der taz. „Denn das ist der Grund, warum die Leute aufhören, politisch zu arbeiten. Sie verlieren die Hoffnung. Darum zeigen wir im Film, wie wir auch ins Zweifeln kommen.“
Auch beim Workshop in Hamburg ermutigten sie die Teilnehmenden, sich nicht abschrecken zu lassen und im Zweifel klein zu starten. Manchmal könne schon eine Fake-Website oder eine Posteraktion viel bewirken. „Ein großes Budget macht die Aktionen nicht unbedingt besser.“ Um ihrerseits quasi professionell Unterstützung anzubieten, haben sie selbst das Yes Lab gegründet. Ihre aktionistische Kompetenz ist nicht gratis – aber auch Aktionskünstler müssen ja von etwas leben.
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