piwik no script img

Aktion „Umparken“ in BerlinBloß nicht drängeln!

Immer noch werden Freiwillige gesucht, die in Schöneberg-Nord einen Monat lang ihr Auto stehenlassen. Dabei gibt es Mobilitätsgutscheine.

„Umparken“ bedeutet nicht Abschleppen. Man muss nur den Schlüssel abgeben Foto: dpa

Berlin taz | Flyer unter den Scheibenwischern, Info-Zettel in den Briefkästen, Aufrufe über Social Media – es wurde breit geworben. Am 1. September beginnt das Projekt „Umparken“ in Schöneberg-Nord. 30 Leute, die einen Monat lang freiwillig auf ihr Auto verzichten, wurden gesucht. Gefunden haben sich bisher aber nur 12.

Noch ist es nicht zu spät. Die Verkehrsstadträtin von Tempelhof-Schöneberg, Christiane Heiß (Grüne) und die ManagerInnen des Projekts namens „kiezerfahren“ rührten am Montag noch mal kräftig die Werbetrommel. „Man kann auch noch last minute zu steigen,“ so Heiß zur taz.

Einen Monat lang spielerisch testen, ob ein Leben ohne Auto möglich ist – das ist die Idee. Charlottenburg macht seit Jahren im Mierendorffkiez vor, wie das geht. Jetzt will Schöneberg nachziehen. Auserkoren wurde dafür das Quartier im Norden des Bezirks zwischen Yorckstraße und Wittenbergplatz beziehungsweise Kurfürstenstraße und Grunewaldstraße. Jeder und jede, die dort wohnt kann sich melden, vorausgesetzt sie oder er besitzt ein Auto.

Der Ablauf ist so: Das Auto bleibt den ganzen September stehen, die Schlüssel werden bei Regine Wosnitza vom Projekt „kiezerfahren“ abgegeben. Der Kilometerstand wird fotografiert. Im Gegenzug gibt es pro Fahrzeug einen Mobilitätsgutschein im Wert von mehreren hundert Euro. Damit kann man sich ein Lastenrad leihen, Tickets für den ÖPNV kaufen oder auch mal einen E-Scooter oder ein Auto bei Carsharing holen. Mit welchem Verkehrsmittel man sich wann fortbewegt sollte in einem Mobilitätstagebuch dokumentiert werden.

Bei einer Infoveranstaltung im Februar im Rathaus Schöneberg war das Projekt erstmals vorgestellt worden. Rund 60 Leuten saßen seinerzeit im Zuschauerraum, etliche schienen interessiert. Dass es bisher nur 12 Anmeldungen gibt, erklärt sich Verkehrsstadträtin Heiß so: „Auf das Auto zu verzichten ist ein Riesenschritt, dazu kommt Corona.“ Keiner, der es nicht müsse, wolle derzeit mit dem Bus oder der Bahn fahren.

Wann kommt der Paradigmenwechsel?

Corona hin oder her, „vier Wochen, das ist doch nicht die Welt“, Projektmanagerin Wosnitza macht keinen Hehl aus ihrer Enttäuschung. „Wenn schon das so schwierig ist, wie lange soll dann erst die Verkehrswende dauern?“, fragt sich Woznitza. Aber es gibt Trost. In Charlottenburg habe es auch seine Zeit gedauert, sagt Rolf Mienkus vom Partnerprojekt Umparken, das inzwischen Sommerflotte heißt. „Ein Paradigmenwechsel kommt nicht von jetzt auf gleich.“

Last-Minute-Tickets für Schöneberg-Nord gibt es am 1. September um 18 Uhr im Nachbarschaftstreff Huzur in der Bülowstraße 94. Aber bloß nicht drängeln: Für das Folgeprojekt im Mai 2021 sind sogar noch alle 30 Plätze frei.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Tja, das Projekt wird wohl nicht angenommen. Vielleicht sollte die Stadt die Leute lieber in Ruhe lassen und das viele Geld, das für das Projekt ausgegeben werden soll, in die Funktionsfähigkeit der Verwaltung, den Bau von Sozialwohnungen oder die Schaffung von Kita-Plätzen (auf die ein Rechtsanspruch besteht, der aber längst nicht immer erfüllt wird) stecken. Weswegen erwachsene Menschen mit viel Aufwand dazu gelockt werden sollen, ein Leben ohne Auto "auszuprobieren", ist mir schleierhaft.

  • Ich kenne mich mit dem Berliner ÖV nicht aus, sollte er aber ähnlich schlecht wie in Stuttgart sein, braucht man sich nicht zu wundern, warum die Leute lieber im Stau stehen.