Agrarminister gegen Naturschutzgesetz: Rainer nicht einverstanden mit Umweltgesetzen
CSU-Agrarminister Alois Rainer will ein Gesetz stoppen, das die Umsetzung des Natur-Wiederherstellungsgesetzes der EU in Deutschland regelt.

Zuständig für die Umsetzung in Deutschland ist federführend das Bundesumweltministerium, umsetzen müssen es die Länder, weil sie für Naturschutz verantwortlich sind. Umweltminister Carsten Schneider (SPD) hatte im Juni einen Gesetzentwurf mit Verfahrensregeln vorgelegt. Er wollte damit klarstellen, welche Behörden von Bund und Ländern wie zusammenarbeiten könnten.
Diesen Gesetzentwurf hat CSU-Kollege Rainer nun gestoppt. Das geht aus einem Schreiben vom 23. September an sieben Landes-Agrarminister hervor, darunter Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Thüringen. Das Landwirtschaftsministerium forderte „auf allen Ebenen eine einfach anwendbare und praktikable Auslegung.“ Was dieser Stopp bedeutet, kann unterschiedlich gedeutet werden.
„Entscheidend für die Überführung der EU-Wiederherstellungsverordnung in nationales Recht ist der Entwurf des Nationalen Wiederherstellungsplans (NWP)“, teilt eine Sprecherin des Bundesumweltministeriums mit. Dieser Wiederherstellungsplan gilt als zentrales Steuerungsinstrument für die nationale Durchführung der EU-Verordnung. Er erfasst systematisch, wie es um die Lebensräume steht und ist so die Grundlage für die Auswahl der Maßnahmen und Gebiete, die renaturiert werden sollen.
An der NWP-Erstellung seien die Länder bereits „umfassend eingebunden und beteiligt“, heißt es aus dem Umweltministerium. Die Länder hätten zudem bereits damit begonnen, die V erordnung umzusetzen: Derzeit werde dafür eine Datenplattform des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) „von zahlreichen Kolleginnen und Kollegen in den Ländern, beteiligten Bundesressorts und dem BfN mit den notwendigen Daten gefüllt“, so die Sprecherin.
Kritik aus Baden-Württemberg
Beim baden-württembergischen Umweltministerium heißt es, die Bestimmungen über Strukturen und Finanzierung des Gesetzesvollzugs seien nicht verzichtbar, ein Umsetzungsgesetz daher unbedingt nötig. Deshalb kritisiert die grüne Ressortchefin Thekla Walker das Manöver Rainers: „Kein Wirtschaftszweig ist so stark von der Erderhitzung, längeren und schwereren Dürren, drohendem Wassermangel, Extremwetterereignissen und Bodenerosion betroffen wie die Landwirtschaft“, sagt die Ministerin. Das Natur-Wiederherstellungsgesetz sei dringend dafür notwendig. Es wolle „Maßnahmen entgegensetzen, die im Ergebnis gerade den Bäuerinnen und Bauern zugutekommen.“
Ihr Parteikollege, der ehemalige Umweltstaatssekretär Jan-Niclas Gesenhues, hält Rainers Vorgehen gar für „skandalös“. Der Stopp des Gesetzentwurfs sei „ein weiterer Schlag gegen Klima und Natur von dieser antiökologischen Bundesregierung“, so der grüne Bundestagsabgeordnete. Gesenhues erwartet von Rainer „endlich echten Einsatz für eine bäuerliche Landwirtschaft im Einklang mit der Natur. Dafür braucht es dringend die Umsetzung des Renaturierungsgesetzes. Denn ohne gesunde Natur keine gesunde Landwirtschaft.“
Bereits im Juli hatte Rainer die Renaturierungsverordnung kritisiert. Sie sei nicht „praxistauglich“ und bedeute eine „Gängelung“ der Bauern. Die Grünen betonen hingegen, dass die Verordnung keine direkten Umsetzungspflichten für die Betriebe enthalte und die Mitgliedsstaaten bei der Ausgestaltung der Wiederherstellungspläne große Spielräume hätten.
Prof. Dr. Josef Settele vom Leipziger Umweltforschungszentrum UFZ sieht den Vorgang aber entspannt. Es handele sich zunächst „nur“ um einen vorläufigen Stopp des Referententwurfes mit dem Anliegen weiterer Klärungen. „Das ist für mich ein nachvollziehbarer Zug, da es auch darum geht, die Länder verstärkt mit an Bord zu haben“, so Settele. „Einen kompletten Stopp des Durchführungsgesetzes halte ich nicht für wahrscheinlich, zumal die Richtlinie ja bereits seit August 2024 in Kraft ist und die EU-Staaten sich damit für die Umsetzung verpflichtet haben.“ Wenn es durch weitere Abstimmungen gelingt, das EU-Gesetz zum Naturschutz in ein schlagkräftiges Regelwerk zu entwickeln, muss man wohl mit zeitlichen Verzögerungen umgehen.
Hinweis der Redaktion: Wir haben den Text um die Stellungnahme von Josef Settele ergänzt.
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