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Agrarausschuss umgangen, Haushalt umgeschichtetKoalition pflügt Biobauern unter

Union und FDP setzen den Rotstift an und wollen "regionale Vermarktung konventioneller Ware" mit Bio-Geld fördern. Also auch Gentec-Ware, fürchten die Grünen.

Die CDU/CSU will "regionale Vermarktung konventioneller Landwirtschaft" mit Bio-Geld fördern. Bild: dpa

Die schwarz-gelbe Koalition kürzt die einzigen Fördermittel des Bundes für die besonders umweltfreundliche Biolandwirtschaft. Die Ökobranche muss sich die jährlich 16 Millionen Euro künftig mit "anderen nachhaltigen Formen der Landwirtschaft" teilen. Das beschloss der von CDU/CSU und FDP dominierte Haushaltsausschuss des Bundestags am späten Donnerstagabend, wie Mitglieder des Gremiums berichteten.

Das Bundesprogramm Ökologischer Landbau finanziert bisher mit etwas mehr als der Hälfte seiner Mittel Forschung. Dabei untersuchen Wissenschaftler zum Beispiel, wie Ökolandwirte effizienter produzieren können. Denn die Biobauern ernten im Schnitt weniger als ihre konventionellen Konkurrenten, weil sie auf klimaschädliche Pestizide und Mineraldünger verzichten. Außerdem wurden mit Geld aus dem Fonds etwa Unterrichtsmaterialien für angehende Landwirte an Berufsschulen erstellt oder Bauern auf Veranstaltungen über Bio informiert.

Peter Bleser, Agrarexperte der CDU/CSU, sagt jetzt: "Werbung für Bio muss der Staat nicht mehr so intensiv fördern." Biobauern verweisen aber darauf, dass sie bislang nur sechs Prozent der Anbaufläche in Deutschland bewirtschaften.

Dennoch will Bleser nun mit einem Teil der 16 Millionen Euro beispielsweise Besuche von Schulklassen auf konventionellen Höfen finanzieren. Denn diese Betriebe arbeiteten ebenfalls "nach Recht und Gesetz nachhaltig", sagte Bleser der taz. "Wir wollen auch, dass jetzt zum Beispiel die regionale Vermarktung konventioneller Bauern mit diesem Geld gefördert werden kann."

Als "nachhaltig" werde eben inzwischen alles bezeichnet, kritisiert der Biobranchenverband BÖLW: selbst der "Chemieeinsatz in der Natur, industrielle Tierhaltung in Massenställen und Gentechnik in der Pflanzenzucht". Wenn dafür jetzt sogar der bisherige Biofonds zahle, "bedeutet das im Klartext das Ende des politischen Engagements für die Entwicklung des ökologischen Landbaus." In der Vergangenheit hatten sich Koalitionspolitiker immer wieder dafür eingesetzt, jegliche Spezialförderung für Biobauern abzubauen. Der Beschluss schafft nun Tatsachen.

Für die Grünen ist er "umso ungeheuerlicher", als die Regierung nur einen Tag vorher knapp 100 Millionen Euro jährlich für ein Programm unter anderem zur agrarindustriellen Nutzung von Biomasse versprochen hat. "Das bedeutet: Die Koalition fördert die Agrogentechnik statt den Ökolandbau", erklärten die Bundestagsabgeordneten Friedrich Ostendorff und Cornelia Behm.

Sie warfen der Koalition auch vor, den Beschluss auf unfaire Weise durchgesetzt zu haben. Denn Union und FDP brachten ihren Antrag wenige Stunden vor der Entscheidung in den Haushaltsausschuss ein. So war der Agrarausschuss ausgeschaltet, und die Biolobby hatte keine Zeit mehr, sich wirkungsvoll - etwa in den Medien - zur Wehr zu setzen.

CDU-Mann Bleser wies den Vorwurf zurück. Der Agrarausschuss habe sich nicht mit der Sache befassen müssen, weil sich die Summe des Haushaltstitels nicht geändert habe. Der Ansatz sei nur umbenannt worden.

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9 Kommentare

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  • N
    Nadine

    hallo, @ johannes,

    weißt du denn nicht, dass die konventionelle landwirtschaft sehr viele nachteile hat, die weitaus schlimmer sind als die der ökologischen landwirtschaft?? gefährdet sind durch konventionellen anbau:

    29 % der Farn- und Blütenpflanzen

    36 % der Vogelarten

    47 % der einheimischen Säugetierarten

    58 % der Lurcharten

    Die Landwirtschaft ist nicht der alleinige, aber mit Abstand bedeutenste Verursacher des Artenrückganges. Eine Auftrennung in Intensivlandwirtschaft und Naturschutzgebiete, wie sie im Moment gefördert wird, kann aber keine dauerhafte Lösung sein, da etwa 50 % der bedrohten Arten eine sinnvoll genutzte, vielfältige Kulturlandschaft zum Überleben benötigen.

     

     

    Die Hauptprobleme der konventionellen Landwirtschaft haben folgende Ursachen:

     

    Monokulturwirtschaft

    Anbau ertragreicher, aber anfälliger Sorten

    Eingeschränkte Fruchtfolge (verschwindend geringer Anteil an Hülsenfrüchten)

    Saatgutreinigung

    Reinsaaten

    ... und schon mal was von roundup gehört? film monsanto schon gesehen? es wird immer mehr hybridsaatgut auf der welt verteilt, die pflanzen, die daraus entstehen, können leider keine saat mehr erzeugen, so dass jedes jahr neues saatgut gekauft werden muss -gut für die wirtschaft eben! aber nachhaltig?

    und schau doch mal den artikel hier an, der dürfte interessant sein: http://www.swr.de/odysso/-/id=1046894/nid=1046894/did=3171276/1lio4ep/index.html

    was die koalition da entschieden hat, befürworte ich nicht. es sollte eher zusätzliche förderung für biolandwirtschaft geben!

  • SS
    Seb Schäfer

    Im Verhältnis zum gesamten Agrarhaushalt ist das BÖL Programm winzig. Aber es ist effektiv, weil in einem kleinen Segment an den richtigen Stellen gezielt Geld eingesetzt wird: in der Forschung, Lehre und beim Wissenstransfer. Ölkännchen statt Gießkanne.

    Es ist schon völlig klar, wohin Bleser will: jede Bauernverbandsgeförderte Pseudobioinitiative soll auch ihr Ölkännchen bekommen. Bei der Suche nach Ölquellen ist die Agrarlobby immer schon kreativ gewesen: CMA, Nachbaugebühren oder Flächenprämien ohne Obergrenzen. Die Richtung ist eindeutig und geht weg von nachhaltiger, bäuerlicher Landwirtschaft.

  • IA
    Ingo aus Westfalen

    Subventionen töten!!!!!!!

  • KD
    Karl der Käfer

    Der Umgang, die Art und Weise wie die deutsche Regierung "ihre?" Interessen durchsetzt, ist an Schamlosigkeit wohl kaum mehr zu überbieten.

     

    Daher fordere ich Neuwahlen..., denn die Mehrheit der Bevölkerung hat DAS bestimmt nicht gewollt..-

     

    das nun die Biobauern an der Reihe sind..,wundert mich gar nicht..., denn kürzlich wurde ja schon kolportiert.., das Bio nicht schmeckt.

    ..

     

    Man glaubt es kaum

  • E
    EnzoAduro

    Ist beides Kommunismus. Man muss da gar nichts fördern. Menschen müssen Essen. Da braucht es keine Förderung.

     

    Basta!

     

    Wie sozial ist es denn eigentlich Landbesitzern Geld zu geben damit sie ihre Erträge loswerden?

  • S
    soso

    also manchmal glaub ich, die machen das mit absicht!

  • J
    johannes

    Sorry aber das stimmt so nicht.

    Bio ist NICHT per se besser für die Umwelt oder klimafreundlicher.

     

    Nachteile sind: Schwermetalle im Boden und im Wasser, erhöhter CO2 Ausstoss aufgrund von häufigeren Fahrten mit Traktoren, Bodenschädigungen aufgrund des Pflügens, erhöhter Stickstoffausstoß Aufgrund der organischen Düngung.

     

    Ich bin bestimmt kein Sympathisant der Wespenkoalition aber da haben die ausnahmsweise mal im Ansatz recht.

  • T
    tom

    Es ist schon unerträglich, wie sich das, was sich Regierung nennt gebärdet.

    Angesichts der letzten Umfragewerte müssten die doch langsam mal aufwachen und ihren unsäglichen Lobbiismus beenden.

  • A
    arribert

    Wer hat was anderes erwartet? Das Bedauerliche ist nur, dass die SPD da immer noch mitmacht, anstatt knallhart Opposition zu fahren und sich zusammen mit Linken und Grünen gegen diese reine Klientelpolitik zu stemmen. Eine andere Politik ist nicht nur möglich, sie ist bitter nötig.