Agentengesetz in Georgien: Georgischer Irrsinn
Das Parlament in Tbilissi setzt den Kampf gegen die Zivilgesellschaft fort. Rasch werden sich die Protestierenden jedoch nicht unterkriegen lassen.
W er bis zum Schluss gehofft hatte, die georgische Führung werde doch noch zur Besinnung kommen, sieht sich leider eines Besseren belehrt. Das Gesetz über die „Transparenz ausländischen Einflusses“, das vor allem Nichtregierungsorganisationen betrifft, wurde am Dienstag in dritter Lesung abgesegnet.
Hinter diesem Irrsinn der Regierungspartei Georgischer Traum stehen nicht weniger als die Angst vor einem Gesichts- und möglichen Machtverlust sowie eine hasserfüllte Besessenheit, die Zivilgesellschaft langsam, aber sicher zum Schweigen bringen zu wollen. Das wird so einfach jedoch nicht werden, wie die Massenproteste der vergangenen Wochen eindrücklich gezeigt haben.
Doch anstatt endlich einmal zur Kenntnis zu nehmen, dass ein Großteil der Georgier*innen ihre Zukunft sowie die ihres Landes in Europa sieht, greift der Georgische Traum auf Methoden zurück, die einem Drehbuch des Kremls entlehnt zu sein scheinen. Protestierende werden von Polizeikräften brutal zusammen geknüppelt, massiv unter Druck gesetzt und kriminalisiert. Wo das nicht ausreicht, besorgen Schlägertrupps, die bei Regierungskritiker*innen gerne auch mal Hausbesuche machen, den Rest.
Das tragische Moment an diesem repressiven Kurs ist nicht nur, dass in der Südkaukasusrepublik Georgien grundlegende Bürger*innenrechte mit Füßen getreten werden. Vielmehr steht die europäische Perspektive grundsätzlich auf dem Spiel. Denn die EU, die Tbilissi erst im vergangenen Dezember den mit einer Reihe von Auflagen verbundenen Status eines Beitrittskandidaten gewährte, kann diese Provokation nicht ignorieren. Schon sind mögliche Sanktionen – wie die Aufhebung der Visa-Freiheit – im Gespräch.
Sollte es dazu kommen, zahlten – Ironie der Geschichte – auch diejenigen die Zeche, die für demokratische Werte auf die Straße gehen. Wie weiter? Staatspräsidentin Salome Surabischwili, in Dauerfehde mit der Regierung, wird gegen das Gesetz ein Veto einlegen. Das verschafft zumindest eine Atempause. Vielleicht obsiegt am Ende doch noch der gesunde Menschenverstand.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers