Afrikanische Union: Die uneinigen Staaten von Afrika
Der AU-Gipfel lehnt Libyens Vorschlag zur Gründung der "Vereinigten Staaten von Afrika" ab. Praktische Probleme treten in den Hintergrund.
NAIROBI taz Wenn ein Gipfeltreffen der Afrikanischen Union länger dauert als geplant, liegt das meist daran, dass zu viele Themen diskutiert werden. Dass diesmal der 9. AU-Gipfel in Ghanas Hauptstadt Accra bis tief in die Nacht zu gestern dauerte, anstatt planmäßig am Dienstagmittag zu Ende zu gehen, hatte einen ganz anderen Grund: Es gab nur ein Thema, und der Streit darüber saß zu tief.
Der Vorschlag des libyschen Revolutionsführers Muammar al-Gaddafi, alle afrikanischen Länder abzuschaffen und die "Vereinigten Staaten von Afrika" zu gründen, dominierte die dreitägigen Beratungen und scheiterte schließlich. Es wird nun einfach eine interministerielle Arbeitsgruppe gebildet, die dem nächsten AU-Gipfel im Januar 2008 Bericht erstatten soll. Dies gilt als gesichtswahrender Kompromissvorschlag.
Gaddafi hatte die panafrikanische Regierung pünktlich zum Gipfelauftakt am Sonntag vorgeschlagen. Unterstützt wurde er vor allem von Senegals Präsident Abdoulaye Wade, ebenfalls ein Freund hochtrabender Konzepte. Für den Libyer Gaddafi ist Afrikas Einheit, möglichst unter seiner Führung, ein altes Anliegen: Zuerst hatte er die Idee auf einem Gipfel am 9. September 1999 im libyschen Sirte lanciert, damals noch in Konkurrenz zur AU-Vorläuferorganisation OAU (Organisation für Afrikanische Einheit). Sein Drängen war ein Auslöser für die Gründung der AU mit ihren panafrikanischen Institutionen wie Sicherheitsrat, Parlament, Menschenrechtsgerichtshof und Kommission nach EU-Muster gewesen.
Nun wollte er den nächsten Schritt tun - aber vor allem die Staaten des südlichen und östlichen Afrika, geführt von Südafrika sowie Nigeria, stellten sich strikt dagegen. "Ich will nicht, dass wir von einem Fehler, dem der Balkanisierung, in den nächsten Fehler, den der Vereinfachung komplexer Situationen, tappen", sagte Ugandas Präsident Yoweri Museveni.
Die südafrikanisch-libysche Konfrontation - sie hatte sich schon 2002 bei der AU-Gründung an der Frage entzündet, ob Südafrika oder Libyen Sitz des AU-Parlamentes sein sollte, und damals hatte Südafrika gewonnen - spaltete den Gipfel so tief, dass am Dienstag sogar ein komplettes Scheitern nicht mehr ausgeschlossen worden war.
Als Ghanas Präsident John Kufuor kurz vor Mitternacht in der Nacht zu gestern die "Erklärung von Accra" als Abschlussdokument verlas, war klar, wer sich durchgesetzt hatte. Libyens Gaddafi und Senegals Wade waren schon abgereist. Südafrikas Präsident Thabo Mbeki freute sich: "Ich bin glücklich." Kufuor behauptete: "Wir gehen aus diesem Gipfel mit einer gemeinsamen Vision heraus." Dann fügte er hinzu: "Im Prinzip."
Die Einheitsbefürworter meinen, nur durch eine Einheitsregierung könne Afrika sich auf der globalen Bühne behaupten. Die Skeptiker meinen, die AU solle sich konkreten Problemen auf dem Kontinent selbst zuwenden und ihre Institutionen erst mal zum Funktionieren bringen.
Die Krisen Afrikas, von Darfur über Somalia bis zum Kongo und zur Elfenbeinküste, wurden auf dem Gipfel von Accra ebenso wenig diskutiert wie die dringende Frage, wie die AU, die international die Führung bei der Bewältigung afrikanischer Konflikte beansprucht, ihre Fähigkeiten zur Konfliktlösung und zur Aufstellung von Friedenstruppen verbessern kann. Die Krisenherde werden stattdessen in den kommenden Wochen die Beratungen des UN-Sicherheitsrats dominieren, wie die neue chinesische Ratspräsidentschaft am Dienstag ankündigte.
Das sich abzeichnende Scheitern von Gaddafis Plänen hatte schon während des Gipfels für kuriose Entwicklungen gesorgt. So kündigte der enttäuschte Wade seinen Austritt aus dem panafrikanischen Entwicklungsprogramm Nepad (Neue Partnerschaft für Afrikas Entwicklung) an, das er einst selbst mit gegründet hatte und das den AU-Rahmen für Zusammenarbeit mit Geberländern darstellt.
Ein wichtiger Teil von Nepad, das Programm zur gegenseitigen Evaluierung afrikanischer Regierungen im Hinblick auf gute Regierungsführung (APRM - African Peer Review Mechanism), fand wiederum einen Hauptblockierer in Wades Gegenspieler Mbeki aus Südafrika: Er bestand darauf, Diskussionen über vorliegende Evaluierungen hinter verschlossenen Türen zu führen, und ließ Minister aus dem Saal entfernen, damit die Präsidenten unter sich sein könnten. Das war keine gute Werbung für ein Verfahren, das mehr Transparenz und Öffentlichkeit herstellen soll. Berichten zufolge ist der soeben fertiggestellte APRM-Bericht zu Südafrika ziemlich kritisch.
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