Afrika-Cup 2010: Nagelneue Taxis - keine Fahrer
Merkwürdig friedlich beginnt das Turnier in der Region, in der das togoische Nationalteam überfallen wurde. Das Interesse an den Fußballstars hält sich aber in Grenzen.
"Perfectly save now" - das sind die Worte, mit denen uns Erwin Silvano von Luanda nach Cabinda schickt. Der Schweizer, Leiter einer katholischen Mission, hat hier 20 Jahre Bürgerkrieg miterlebt und ist in dieser Zeit selber zweimal geflüchtet. Er muss wissen, wovon er spricht.
Auch auf den ersten Eindruck hat uns der 62-Jährige vorbereitet. "Das Meer ist schwarz da" - schwarz vom Öl ist auch der Strand. Das sieht man am Besten aus der Luft. Und umso mehr, weil die kleine Maschine drei Ehrenrunden drehen muss. Seit die togoische Mannschaft nicht weit von hier in schweres Maschinengewehrfeuer geraten ist, wurden die Sicherheitsstandards verschärft. Die Organisation auf dem kleinen Flughafen von Cabinda City gerät seither immer mal wieder in Turbulenzen. Dazu zählen auch die zähen Passkontrollen, bei denen ein ranghoher Vertreter des lokalen Organisationskomitees jedes Gesicht persönlich minutenlang unter die Lupe nimmt.
Einen sicherheitstechnischen Ausnahmezustand hätte man erwarten können, wenn man sich nur an den Berichten der europäischen Presse und der auf den Fuß folgende Diskussionen um den Sicherheitsaspekt bei der Weltmeisterschaft in Südafrika orientiert hätte. Doch von Polizei oder gar Militär ist vor dem Flughafen nichts zu sehen. Dafür fallen zirka 50 in Reih und Glied aufgestellte nagelneue Kia-Taxiwagen ins Auge. Die Fahrer gibt es noch nicht. An Metall, Beton und Glas fehlt es ebenso wenig wie an nagelneuen Maschinen aller Couleur. Und sieht man mal vom allgegenwärtigen Stau ab, dann kann man auch die Organisatoren loben. Aber irgendwie fehlt das Leben.
Ausländer sind hier im Regelfall nur die Arbeiter für die Ölplattformen. Und die verdienen fünfstellig. Der Afrika Cup hat daran nichts geändert. Überhaupt ist von hektischer Betriebsamkeit nicht viel zu spüren. Würden nicht immer mal wieder von Sicherheitsfahrzeugen eskortierte Autokolonnen mit Mitgliedern des afrikanischen Fußball CAF oder des lokalen Organisationskomitees COCAN durch den dichten Verkehr breschen, man könnte fast vergessen, dass man sich in einer "Krisenregion" aufhält.
Absichern will sich dann aber doch der kongolesische Pensionsbesitzer. Fotokopien unserer Pässe brauche er und auch eine der Kreditkarten. Am Abend würden sich bei ihm die Behörden melden, um zu erfragen, wo sich die eingereisten Ausländer aufhalten.
In Cabinda City ist es seit Jahren zu keinen gewaltsamen Zwischenfällen mit diversen Splittergruppen der FLEC (Frente para a Libertação do Enclave de Cabinda) gekommen. In den schwer zugänglichen Gebieten der Provinz schon. Ein weiterer Vorfall in den an die beiden Kongo-Republiken grenzenden Randgebieten würde die Organisatoren in arge Erklärungsnöte bringen. Da geht man auf lieber Nummer sicher.
Das gilt auch für die Zahl der freiwilligen Helfer. Eine ganze Hundertschaft von ihnen versammelt sich vor dem alten Centro Commercial, einem siechenden Gebäude im sozialistischen Baustil. Jetzt, wo klar ist, dass wohl auf jeden der wenigen ausländischen Besucher 50 Voluntarios kommen, sollen sie nun wenigstens für volle Stadien sorgen. Deswegen gibt es Gratiskarten.
Nun müssen sie es - und auch wir - nur noch ins Stadion schaffen. Dafür gibt es zwar nagelneue Busse, aber auch einen nervtötenden Stau. In einer Stunde beginnt das Spiel Burkina Faso gegen die Elfenbeinküste. Das Stadion ist, wie auch das in Luanda, weit außerhalb des Stadtzentrums gebaut. Die Chance, einen der großen afrikanischen Helden, Didier Drogba, noch live zu sehen, schwinden. Gereizt wird die Stimmung deshalb nicht. Erst als ein Wagen mit Kalaschnikows bewaffneten Soldaten ein kleines Verkehrschaos produziert, greift sichtlich Nervosität um sich. Acht Jahre ist der brutale Bürgerkrieg erst her.
Das Spiel ist spannend, auch wenn es torlos bleibt. Zwei Stunden nach Ende des Spiels liegt das Chiazi-Stadion von Cabinda wieder ruhig in seiner Baulandschaft. Dominierende Sprache ist nunmehr Chinesisch, zahlreiche chinesische Ingenieure mit riesigen Schlüsselbunden und mehreren Walkie-Talkies dominieren die Szenerie. Von militärischer Bewachung des leeren Stadions ist nichts zu sehen.
Den ersten und wenig später auch letzten Drink gibt es in einer kubanischen Bar. Der Besitzer, der sich nur Bob nennt, ist nach dem Einsatz der kubanischen Armee hier geblieben. Ein Relikt aus einer der absurdesten geopolitischen Verstrickungen des Bürgerkriegs. Denn die marxistische Bewegung MPLA um den jetzigen Staatspräsidenten Dos Santos hat sich ihren Krieg gegen die antikommunistische Gegenbewegung UNITA vor allem auch vom Öl aus Cabinda finanziert. Die Quellen wurden von US-amerikanischen Großkonzernen wie Exxon ausgebeutet. Und beschützt wurden die wiederum von der kubanischen Armee. Heute schenkt Bob vorzüglichen kubanischen Rum aus. Den Angriff auf die Togoer hält er für ein großes Versehen.
Gegen ein Uhr ist kein Mensch mehr auf der Straße. Alles liegt ruhig. Vor der Banco del Sol von Cabinda hockt ein bewaffneter Guard. Er ist eingenickt.
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