Afghanistans Gefangene: Kabul räumt erstmals Folter ein
Eine von Präsident Karsai eingesetzte Kommission bestätigt, dass in afghanischen Gefängnissen gefoltert wird. Die Konsequenzen daraus bleiben unklar.
BERLIN taz | Folter und Misshandlungen von Gefangenen sind in afghanischen Gefängnissen weit verbreitet. Dies hat eine von Staatspräsident Hamid Karsai eingesetzte Untersuchungskommission herausgefunden. Auch hätten viele der Gefangenen keinen Zugang zu einem Anwalt. Damit wurde ein am 20. Januar von der UN-Mission für Afghanistan (Unama) vorgelegter Bericht weitgehend bestätigt.
Die afghanische Kommission, die überwiegend aus hohen Beamten ausgerechnet jener Ministerien und Institutionen besteht, denen die Verantwortung für Folter vorgeworfen wird, stellte am Montag in Kabul ihre Untersuchungsergebnisse vor. Bereits am Sonntag waren sie dem Präsidialamt vorgelegt und von diesem bestätigt worden. Zu möglichen Konsequenzen schweigt die Regierung aber.
Interviews mit 284 Gefangenen in Kabul, Kandahar und Herat hätten ergeben, dass knapp die Hälfte über Folter klage, sagte der Kommissionsvorsitzende Abdul Qader Adalatkhwah. Die Inhaftierten seien vor allem bei ihrer Festnahme und bei Verhören misshandelt worden. Hinweise auf Vergewaltigungen seien nicht gefunden worden.
Mit der Untersuchungskommission hatte Karsai auf den bereits zweiten Unama-Bericht zur Situation in afghanischen Gefängnissen reagiert. Für diesen waren von der UN 635 Gefangene in 89 Einrichtungen der afghanischen Sicherheitskräfte und des Geheimdienstes NDS befragt worden. Mehr als die Hälfte berichtete von Folter und Misshandlungen wie dem Schlagen mit Rohren, Elektroschocks, Vergewaltigungen, Herausreißen von Fingernägeln oder von Drohungen mit Exekutionen.
Bisher gab es nur Dementi
Das Innenministerium und der NDS wiesen diesen Bericht wie schon den ersten vom Oktober 2011 zurück. Der hatte damals von „systematischer Folter“ gesprochen. Ein NDS-Sprecher witterte gar eine ausländische Verschwörung.
Doch der Vorsitzende der Unabhängigen Afghanischen Menschenrechtskommission bestätige die Grundtendenz des Berichtes. Wie schon nach dem Report von 2011 setzten die internationalen Isaf-Truppen vorübergehend die Überstellung von Gefangenen an afghanische Institutionen aus. Karsai bemüht sich seit rund zwei Jahren, die Hoheit über alle Gefängnisse in Afghanistan zu erhalten, und erklärte dies zu einer wichtigen Souveränitäts- und Prestigefrage.
Strittig ist vor allem die Hoheit über alle Gefängnisse am US-Stützpunkt Bagram. Den USA wurde vorgeworfen, dort ein Geheimgefängnis zu betreiben. Auch dem afghanischen NDS wird Folter an geheimen Orten vorgeworfen.
„Ich bin froh, dass der UN-Bericht bestätigt wurde“, sagte Kate Clark vom Afghan Analysts Network der taz. „Das Problem ist für Dementis schlicht zu groß.“ Jetzt komme es auf Konsequenzen an.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Neue israelische Angriffe auf Damaskus