AfghanistanRegierung meldet Vertreibung der Taliban, Bewohner widersprechen: Straßenkämpfe in Kundus
Berlin taz | Afghanische Regierungstruppen haben sich in der Nacht zu Donnerstag mit Unterstützung von Nato-Spezialkräften und US-Kampfflugzeugen ins Zentrum der Stadt Kundus vorgekämpft. Die Taliban hatten die fünftgrößte Stadt Afghanistans, einen früheren Bundeswehrstandort, am Montag überraschend erobert. Donnerstagmorgen vermeldete die Regierung, die Stadt sei zurückerobert worden. Es werde nur noch vereinzelt gekämpft.
Die Beseitigung einiger Widerstandsnester in den Außenbezirken kann laut dem Sprecher des Innenministeriums noch einige Tage dauern. 150 Taliban seien getötet und 60 verletzt worden, erklärte das Verteidigungsministerium. Eigene Verluste nannte es nicht. Unklar blieben auch die Rolle und Stärke der Nato-Soldaten.
Die Taliban äußerten sich widersprüchlich. Zunächst dementierten sie die Rückeroberung durch die Armee. Später erklärte Sprecher Sabiullah Mudschahid laut dpa: „Wir haben uns letzte Nacht zurückgezogen, weil sich ausländische Truppen an den Kämpfen beteiligten.“
Telefonisch berichteten Einwohner gegenüber Journalisten, die Stadt werde längst nicht von Armee und Polizei kontrolliert. Auch im Zentrum gebe es heftige Straßenkämpfe unter anderem um den Gouverneurssitz. Die Taliban hätten einige verlorene Viertel inzwischen wieder zurückerobert. Die Aufständischen hätten sich in kleine Gruppen aufgeteilt und würden immer wieder aus Wohnhäusern heraus angreifen, sagte ein Bewohner der BBC.
Präsident Ashraf Ghani hat den Gouverneur der Provinz Kundus, Mohammad Omar Safi, der sich bei dem Taliban-Angriff im Ausland aufhielt, gefeuert und eine Untersuchung angeordnet. Sie soll klären, wie es wenigen hundert Taliban gelingen konnte, in kurzer Zeit die zahlenmäßig überlegenen Regierungstruppen aus der Stadt zu jagen. In Kabul protestierten am Donnerstag mehrere hundert Menschen gegen das Versagen der Regierung in Kundus und verlangten Ghanis Rücktritt.
In Berlin hieß es in Regierungskreisen, die Bundesregierung sei für eine Verlängerung des Mandates für die 850 verbliebenen Bundeswehrsoldaten über 2016 hinaus offen. Laut Spiegel ist dies vom Kabinett bereits beschlossen. Sven Hansen
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