: Afghanische Rebellen lehnen Waffenruhe ab
■ Regierungschef Nadschib bietet Waffenruhe und „Nationale Aussöhnung“ an / Nicht alle Mudjaheddin lehnen ab / Im Exil lebender König will verhandeln
Moskau/Islamabad (afp) - Auf das Angebot von Parteichef Nadschib, in Afghanistan eine Waffenruhe auszurufen und eine „nationale Aussöhnung“ einzuleiten, haben die Widerstandsgruppen des Landes ablehnend reagiert. Mohammad Nabi Mohammadi, derzeitiger Sprecher der „Einheit der Mudjaheddin Afghanistans“, in der sieben Gruppierungen des Widerstands zusammengeschlossen sind, bezeichnete das Angebot am Freitag als „Falle“. Von seiten der Widerstandsgruppen hieß es ferner, ihr Kampf habe vor dem Einmarsch der sowjetischen Truppen in Afghanistan vor sieben Jahren begonnen und gelte der „kommunistischen Regierung“ in Kabul, die durch ein „rein islamisches“ Regime abgelöst werden solle. Nadschib hatte bei einer Sitzung des Zentralkomitees der „Nationalen Demokratischen Partei Afghanistans“ seine Vorstellungen von einer nationalen Aussöhnung dargelegt. In seiner am Donnerstag von „Radio Kabul“ übertragenen Rede kündigte der 39jährige Parteichef die Ausrufung einer Waffenruhe für den 15. Januar an. Ferner erklärte Nadschib, Kabul führe schon Verhandlungen mit 417 Gruppen, die insgesamt rund 37.000 Guerillakämpfer zählten. Der Widerstands–Sprecher Mohammadi dementierte dies. Parteichef Nadschib betonte, die Regierung in Kabul wolle weder die gemäßigten Oppositionsgruppen - Zentristen und Monarchisten - noch die Chefs der bewaffneten Gruppen, die vom Ausland aus operierten, von dem Prozeß der Aussöhung ausschließen. Fortsetzung auf Seite 6 Er schlug einen „entscheidenden Übergang“ zu einem Dialog vor, der zur Bildung einer Koalitionsregierung unter Beteiligung von „führenden Politikern früherer Regierungen“ und der „islamischen Parteien“ führen könne. Vertreter der „Gegenseite“ könnten ebenfalls Vorschläge in die Debatte über die neue Landesverfassung einbringen, an der derzeit eine Kommission arbeite. Das Ziel seiner Politik sei es, so Nadschib, Afghanistan den Status eines souveränen, blockfreien und unabhängigen Staates zu ge ben. Der Parteichef kündigte weitere Maßnahmen innerhalb des Programms der nationalen Versöhnung an. Dazu gehöre die gerechte Vertretung aller Bürger in Politik und Wirtschaft, ein Ende der Verfolgung wegen früherer politischer Tätigkeiten, eine Generalamnestie, die Erhaltung von historischen, nationalen und kulturellen Traditionen und die Achtung des Islam. Mit Angehörigen von Banden und von neutralen Kräften sollten offene Kontakte hergestellt werden. Gruppen, die sich neutral verhielten, könne auch die Einrichtung lokaler Regierungsorgane erlaubt werden. Vor allem sollte ein Dialog mit solchen Op positionskräften eröffnet werden, die kompromißbereit seien. Moahmmadi erklärte zu den Vorschlägen, die Mudjaheddin würden ihren Kampf bis zum Sturz Nadschibs und der Bildung einer islamischen Regierung in Afghanistan fortsetzen. Verteter des Widerstands schlossen indessen nicht aus, daß „gewisse Parteien“, insbesondere monarchistische Politiker, das Angebot annehmen könnten, falls sie hinreichend überzeugende Zusagen über den Abzug der sowjetischen Truppen aus dem Lande erhalten würden. Der in Rom im Exil lebende König von Afghanistan, Saher Shah, hat bereits erklärt, er stehe als Gesprächspartner zur Verfügung. Der weitere Verlauf des Konflikts könne insbesondere durch die Politik der pakistanischen Regierung gegenüber den Widerstandskämpfern Afghanistans entscheidend beeinflußt werden, hieß es in diplomatischen Kreisen in Islamabad. Sowohl Moskau als auch Kabul betrachteten die bevorstehenden indirekten Afghanistan–Verhandlungen in Genf als eine entscheidende Etappe. Der pakistanische Außenminister Sahabeada Yakuh Khan hatte nach seiner Rückkehr von einem offiziellen Besuch in Peking, bei dem der Afghanistan–Konflikt zur Sprache kam, Ende Dezember erklärt, er sehe einen „positiven Wandel“ in der Haltung Moskaus zu dieser Frage.
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