Afghanische Präsidentschaftswahlen: Teilergebnisse stiften Verwirrung
Mit der Bekanntgabe erster Ergebnisse wollte die Wahlkommission Betrugsvorwürfen vorbeugen. Doch lassen die Zahlen kaum belastbare Schlüsse zu.
KABUL taz | Eine ehemalige Parlamentsabgeordnete, die heute zum Team des Präsidentschaftskandidaten Aschraf Ghani Ahmadzai gehört, lacht resigniert, wenn sie nach den Teilergebnissen der Präsidentschaftswahl gefragt wird, die die Unabhängige Wahlkommission (IEC) am letzten Sonntag in Kabul bekanntgegeben hatte. „Diese Zahlen beinhalten viele gefälschte Stimmen“, sagt sie.
Nachdem sie erneut betont, dass sie namentlich nicht genannt werden will, unterstreicht sie, dass es die Teilergebnisse aus den nördlichen Provinzen seien, also aus den Hochburgen des Gegenkandidaten Abdullah Abdullah. Deshalb sei es kein Wunder, dass Abdullah angeblich mit 42 Prozent vor Ahmadzai führt, der bei 37,6 Prozent liegt.
Ahmadzai hoffe vor allem auf die Stimmen der Paschtunen im Süden. Eigentlich habe sie die Ergebnisse von ihren Mitarbeitern aus den Provinzen direkt erhalten. Demnach habe Ahmadzai 49 Prozent der Stimmen bekommen, Abdullah nur 32 Prozent.
Abdullah sieht das naturgemäß ganz anders. Kaum waren die IEC-Zahlen öffentlich, ließ er in Kabul verlauten, dass aus den Zahlen herauszulesen sei, dass er gewonnen habe und eine Stichwahl gar nicht notwendig sei.
Abdullah sieht nicht einmal eine Stichwahl
Inzwischen ist es in Kabul Konsens, dass die IEC mit der Bekanntgabe der Teilergebnisse mehr Verwirrung stiftete als wie beabsichtigt zu beruhigen. Denn das vorläufige Ergebnis, das auf Auszählung von nur rund 10 Prozent der Stimmen basiert, lässt keine belastbaren Schlüsse zu.
Demnach erhielt Abdullah nur 22.000 Stimmen mehr als Ahmadzai. Doch 6 Millionen Stimmzettel sind noch gar nicht ausgezählt. Nader Nadery von der afghanischen Wahlbeobachterorganisation Fefa äußert Verständnis für das Verhalten der IEC: „Die Öffentlichkeit wartet auf Ergebnisse. Je länger es dauert, desto mehr Betrugsgeschichten tauchen auf.“
Der IEC wurden nach den Präsidentschaftswahlen 2009 massiver Wahlbetrug vorgeworfen. Offensichtlich will sie sich jetzt ähnliche Kritik ersparen. Deshalb kündigte ihr Sprecher Nur Mohammad Nur inzwischen für kommende Woche die Bekanntgabe aktualisierter vorläufiger Ergebnisse an.
Mehr als 3.000 Beschwerden über Unregelmäßigkeiten
Parallel zur IEC ermittelt auch Afghanistans Unabhängige Wahlbeschwerdekommission (IECC) zu den eingereichten Beschwerden. Deren Zahl liege bei über 3.000 und beinhalte zum Teil massive Betrugsvorwürfe, hieß es. In der nördlichen Provinz Baghlan zählen IECC-Mitarbeiter die unter Quarantäne gestellten Stimmen aus 30 Wahllokalen erneut durch. In der Provinz Balkh wurden die Ergebnisse mehrerer Wahllokale bereits für ungültig erklärt.
Die meisten Vorwürfe, die bei der IECC eingehen, richten sich gegen lokale IEC-Mitarbeiter, die Unregelmäßigkeiten zugelassen haben sollen. Auch wurden viele Fälle gemeldet, bei denen bereits mit Stimmzetteln gefüllte Wahlurnen zu den Lokalen gebracht worden seien. Zumindest einige Fälle hat die IEC bereits bestätigt.
Um Betrug während des Zählprozesses zu verhindern, schicken nun die Kandidaten ihre Vertreter zum Hauptquartier der IEC. „Die IEC erlaubt einen Beobachter pro Team in ihren Räumen“, beschwert sich die ehemalige Parlamentarierin dennoch.
Überwachung per Bildschirm gefordert
Um den Prozess besser beobachten zu können, forderten die Kandidatenteams die IEC gemeinsam dazu auf, drei Bildschirme anzubringen, auf denen sie alle Etappen des Stimmzählprozesses sehen können. Doch komme die IEC dem nicht nach.
„Das ist keine Böswilligkeit“, glaubt ein internationaler Beobachter, der im Namen der UNO den Wahlprozess begleitet. Es sei eher Ignoranz der Behörde, die sich aber am Ende nachteilig auswirken könne. Außerdem machten die unter Manipulationsverdacht stehenden Stimmen nicht mehr als 1,5 Prozent aller Stimmen aus, erzählt er: „Das Endergebnis können sie nicht beeinträchtigen.“
Das weiß auch die Ahmadzai-Mitarbeiterin: „Wir werden am Ende das offizielle Ergebnis anerkennen, denn wir haben uns auf dieses Spiel eingelassen und müssen jetzt auch die Regeln akzeptieren.“
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