Afghanische Geiseln: Misstrauen statt Mitleid
Das geringe Interesse an der Entführung von Harald K. zeigt: Seit dem Fall Susanne Osthoff hat sich viel geändert.
In Afghanistan wird ein Deutscher entführt - und keiner sieht so recht hin. Seit Sonntag ist Harald K., ein Schreiner und Entwicklungsarbeiter aus dem bayerischen Amberg, in der Gewalt noch unbekannter Geiselnehmer. Doch der große Aufschrei bleibt bisher aus. Zwar berichten alle großen Zeitungen über den Fall, doch ein wirkliches Aufregerthema ist die Entführung nicht.
Wie anders war das noch vor zwei Jahren: Als Ende 2005 im Irak die Archäologin Susanne Osthoff entführt wurde, war die öffentliche Anteilnahme riesig. Damals setzten sich neben der Bundesregierung auch drei Exbundespräsidenten medienwirksam für die Entführte ein. In München und Berlin fanden Mahnwachen statt, in Offenbach gingen Muslime für die Freilassung Osthoffs auf die Straße.
Was ist seitdem passiert? Vor allem viele weitere Entführungen, unter anderem die des Ex-Staatssekretärs Jürgen Chrobog im Jemen. Sind die Menschen in Deutschland durch diese Fälle abgestumpft? Gibt es ein Limit für öffentliche Solidarität?
Die Antwort könnte ebenfalls in der Geschichte Osthoffs liegen. Kaum war sie befreit, gingen die Spekulationen los. War sie blauäugig in den Irak gegangen oder hatte sie gar mit den Entführen gemeinsame Sache gemacht? Durch unglückliche Auftritte und missverständliche Aussagen trug die ehemalige Geisel auch selbst nicht gerade zur Aufhellung bei. Spätestens nach einer wirren TV-Performance in voller Burka-Montur fragte sich wohl so mancher: Der ganze Terz, für so eine Verrückte?
Seither schwingt bei der Diskussion von Entführungsfällen neben aller Solidarität immer auch ein misstrauischer Unterton mit. Die irre Osthoff will zurück in den Irak? Warum haben wir sie dann überhaupt befreit? Der entführte Schreiner hat Geld unterschlagen, ist zum Islam übergetreten, heißt statt Harald jetzt Abdul? Will der denn überhaupt gerettet werden?
Fast ist es, als wolle uns die öffentliche Zurückhaltung sagen: Wer sich in Gefahr begibt, soll auch die Konsequenzen tragen. Wer nicht im Land bleibt und sich redlich nährt, der schließt sich selbst aus der Solidargemeinschaft aus. Von hier ist es nicht mehr weit zur Neiddebatte: Spätestens, wenn dann auch noch Lösegeld gezahlt wird, schleicht sich ein nagender Nebensatz in die Argumentationen ein. Es ist die Keule des knauserigen Kleinbürgers, die ultimative Unmutsbekundung des Spießers: "Und das von unseren Steuergeldern!"
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