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Affenpocken-Impfstoff fehlt in BerlinImpfkampagne stockt

Berlin bekommt kurzfristig 1.900 weitere Affenpocken-Impfdosen, muss auf die nächste große Lieferung aber warten. Ärzte und Aktivisten sind besorgt.

Auch auf dem CSD Berlin wurde nach der Impfung gefragt. Wann es soweit ist, bleibt weiter unklar Foto: imago stock

Berlin taz | Die Berliner Impfkampagne gegen das Affenpockenvirus, auch als MPX-Virus bekannt, stockt. Grund dafür ist der fehlende Impfstoff, von dem bisher nur rund 9.500 Dosen an die Berliner Impfstellen geliefert wurden. Kurzfristig wurden 1.900 weitere Impfstoffdosen zugesagt, bis Ende September werden weitere Lieferungen erwartet. Dabei sind am Montag allein in der Hauptstadt 1.443 von 2.914 bundesweiten Fällen gemeldet worden. Berlin bleibt damit absoluter Hotspot des Ausbruchs. Bisher sind vor allem schwule und bisexuelle Männer betroffen, doch werden vermehrt auch Infektionen von Frauen und Kindern bekannt.

Vor diesem Hintergrund kritisiert Alfonso Pantisano, Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbands in Deutschland, das Vorgehen der Senatsgesundheitsverwaltung. „In der queeren Community wird die Impfkampagne als zu zögerlich wahrgenommen“, erklärte er der taz. Die Kampagne hatte wegen eines fehlenden Kooperationsvertrags zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung und der Gesundheitsverwaltung verspätet begonnen. Unter anderem mussten die Zuständigkeiten für die Abrechnung festgelegt werden, da der Impfstoff noch vor seiner offiziellen Zulassung in der EU verwendet wurde. Lange war für die Ärzte der Impfstellen unklar, wie genau die einzelnen Impfungen vergütet würden.

Laut anlaufendem Impfmonitoring sind bisher 4.500 Dosen verabreicht worden, wobei noch nicht alle Impfstellen ihre Zahlen gemeldet hätten, schrieb die Gesundheitsverwaltung auf Anfrage. Die Übermittlung der Daten per Excel-Tabelle bezeichnete der Impfarzt Heribert Hillenbrand gegenüber der taz als „altertümlich“.

Auch Pantisano kritisiert die Kommunikation von offizieller Stelle. „Auf der Webseite der Senatsgesundheitsverwaltung wird kaum über Affenpocken informiert. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass momentan keine Impftermine verfügbar sind, keine Informationen darüber, dass Erstimpfungen priorisiert werden oder inwieweit Menschen geschützt sind, die als Kind gegen Pocken geimpft wurden. Die Berliner Verwaltung muss hier ihrem Informationsauftrag nachkommen.“

Dabei ist die Nachfrage nach Angaben von Ärz­t:in­nen und Ak­ti­vis­t:in­nen enorm. Sie berichten von Menschen, die für Impftermine sogar in andere Bundesländer oder ins Ausland fahren. Die Deutsche Aidshilfe sprach von 1.000.000 Impfdosen, die in Deutschland gebraucht würden. Bisher sind bis Ende September aber nur 200.000 weitere Impfdosen bestellt, von denen voraussichtlich knapp ein Drittel nach Berlin gehen soll. Auf diesen Verteilungsschlüssel haben sich Bund und Länder geeinigt. Darüber hinaus sind noch keine weiteren Lieferungen bekannt.

„Die queere Community schaut mit Sorge auf das Virus, und wir werden weiterhin auf die Politik einwirken um die Community zu schützen“, bekundet Pantisano. Die Gesundheitsverwaltung appelliert derweil an den Bund und andere Bundesländer mit weiterem Impfstoff versorgt zu werden.

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9 Kommentare

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  • Sven Lehmann, der Bundesbeauftragte für queere Menschen, äußert sich übrigens NICHT.

    Seine letzte Äußerung zum Thema Affenpocken war meines Wissens im Mai - man dürfe niemanden stigmatisieren.

    Seither ist er zwar auf allen CSDS, freut sich, dass Köln die meisten Puffs pro Kopf hat ("sexpositivste Stadt Deutschlands"), erklärt im Fernsehen, dass er eine offene Beziehung hat - nur zum drängendsten Problem der schwulen Community schweigt er, als habe das Thema mit ihm nichts zu tun.

    Bitte mal nachhaken, liebe taz!

    • @Suryo:

      Was ist an Puffs "sexpositiv"?

      • @resto:

        Keine Ahnung, irgendein beknacktes Ranking hat bei deutschen Städten die Zahl der Bordelle, Sexshops usw ermittelt und am Ende war Köln - Lehmanns Heimatstadt - an der Spitze und damit Deutschlands „sexpositivste“ Stadt. Allein schon der Begriff zeigt, dass er von Heteros erfunden wurde (genauer gesagt, von amerikanischen Heteros). Schwule denken bei der Kombination von Sex und positiv an etwas ganz anderes…

      • @resto:

        Nix!

  • Kuscheln nur Heten und Heteros? Warum eine Sonderbehandlung von Queeren? Woher wissen Affenpocken wer Queer ist , Homo- Bisexuell? Es geht alle an.

    • @Pepi:

      Das Problem ist: gerade weil suggeriert wird, es handele sich um eine "Schwulenkrankheit", sind Heteros nicht sensibilisiert. Die meisten werden gar nicht an Affenpocken denken, wenn sie ein paar Tage nach dem Besuch im Swingerclub einen Ausschlag bemerken. Und dann steht schon wieder der nächste Besuch an...

      Und diejenigen, die jetzt schon seit Wochen versuchen, endlich geimpft zu werden, haben dann erst recht das Nachsehen. Denn wenn's erstmal die Heteros erwischt, ist noch weniger Impfstoff da.

      • @Suryo:

        Allerdings sagt die Statistik der Affenpockenverbreitung etwas anderes.

        • @resto:

          Noch. Das ist der Punkt.

  • Manchmal könnte man meinen das aus HIV und Covid19 nicht gelernt worden ist.



    Man könnte auch einfach auf Distanz setzen bis genug Impfstoff vorhanden ist.